Zwischen Leidenschaft und Liebe
wieder sein Unwesen.«
»Wie viele sind es diesmal?«
»Sechs.«
»Und deine Mutter tobt natürlich. Ich bezweifle, daß sie den Gedanken, sich von sechs Kühen trennen zu müssen, ertragen kann.«
»Sie will, daß ich ihn von seinem Land jage.«
Trevelyan schwieg einen Moment. »Und du dachtest, ich könnte die schmutzige Arbeit für dich erledigen.«
»Vellie, du bist doch schon immer ein wortgewaltiger Mann gewesen. Ich dachte, du könntest mit dem alten Mann reden.«
»Niemand kann mit ihm reden. Das konnte noch keiner bisher. Wie steht es mit seinen Söhnen?«
»Die sind entweder tot oder ausgewandert. Der alte Mann ist der letzte, der von seiner Familie noch übrig ist.«
»Und nun will sie ihn von seinem Land jagen. Warum gibst du ihm nicht einfach Geld, damit er zu seinen Söhnen fahren kann?«
»Das würde er niemals tun. Und woher soll ich das Geld nehmen, das du ihm anbieten möchtest? Soll ich wieder eines von unseren Gemälden verkaufen?«
»Wie wäre es mit deiner kleinen Erbin?«
Bis zu diesem Moment hatte Claire sich in der Truhe still verhalten, dem Gespräch der beiden gelauscht und versucht, sich einen Reim darauf zu machen. Den Namen MacTarvit hatte sie schon einmal gehört, wußte aber nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Und als Trevelyan ihn nun mit einem höhnischen, zweideutigen Ton ins Spiel brachte, hatte sie Angst vor Harrys Antwort. Sie erkannte, daß Trevelyan den Keim des Zweifels in ihr Herz gesenkt hatte. Sie trat mit beiden Beinen gegen den Truhendeckel.
»Was, zum Teufel, hast du da in der Truhe?« fragte Harry, als er sah, wie der Truhendeckel sich bewegte und Trevelyan fast aus dem Gleichgewicht brachte.
»Ich zeige es dir, wenn du es sehen möchtest.«
»Nein, danke. Mich schaudert noch von den Sachen, die du von deinen anderen Reisen zurückgebracht hast.« Er sagte eine Weile nichts, weil Oman hereinkam und zwei Gläser Whisky auf einen Tisch in Trevelyans Nähe stellte. Als Oman gegangen war, meldete sich Harry wieder zu Wort. »Hast du keine Angst, daß dieser Mann dir eines Nachts die Kehle aufschlitzen könnte?«
»Oman? Die Leute, die du drüben im Haus beherbergst, erschrecken mich weitaus mehr als Oman. Da wir gerade von Schrecken reden - wann willst du heiraten?«
»Später«, antwortete Harry ausweichend.
»Und du meinst, daß deine kleine Erbin glücklich wird, wenn sie unter der Fuchtel der alten Hexe leben muß?« fragte Trevelyan in sarkastischem Ton.
»Mutter ist nicht so schlecht, wie du sie machst. Du hast ihr nie eine Chance gegeben. Was Claire anbelangt, so glaube ich, daß sie sich anpassen wird.« Harry trank sein Glas aus und stand auf. »Ich muß jetzt gehen.«
»Um eine deiner exotischen Damen zu besuchen?«
Wieder stieß Claire mit beiden Beinen gegen den Truhendeckel, doch diesmal beachtete Harry den Tumult nicht. »Ich werde mich im Süden nach einer Stute für sie umsehen, wenn es dich interessiert.«
»Für sie? Meinst du damit deine kleine Erbin?«
»Richtig.«
»Du willst Geschenke für sie kaufen? Sollte das ein Beweis von wahrer Liebe sein?« fragte Trevelyan spöttisch.
Claire wartete mit angehaltenem Atem auf Harrys Antwort.
»Ich mag sie. Sie hat sich zwar den Kopf ein bißchen zuviel mit Daten und Geschichte vollgestopft und macht sich etwas zu romantische Vorstellungen von der Welt, aber sonst ist sie ganz in Ordnung.« Und dann, weniger gemächlich, sondern mit einem warnenden Unterton: »Laß sie in Ruhe, hörst du?«
»Was sollte ein Mann in meinem Alter wohl mit ihr anfangen?« gab Trevelyan zurück.
»Ich sage es dir noch mal«, erwiderte Harry. »Laß sie in Ruhe.«
»Dann verrate mir mal - ist es das Mädchen oder ihr Geld, das du liebst?«
Claire, die die Gesichter der beiden Männer nicht sehen konnte, fand, daß Harry sich sehr viel Zeit nahm für eine Antwort. Und als sie ihn dann lachen hörte, wußte sie nicht, was das zu bedeuten hatte - ob er damit ausdrücken wollte, daß er sie gern hatte oder nur ihr Geld wollte.
6. Kapitel
»Nun?« sagte Claire, als sie aus der Truhe stieg. Trevelyan hatte sich nicht dazu bequemt, ihr den Truhendeckel zu öffnen oder ihr herauszuhelfen, als sie ihn hochhob, aber das störte sie nicht mehr. Sie gewöhnte sich allmählich an seine mangelnde Hilfsbereitschaft.
Er saß schon wieder an einem seiner Tische und schrieb.
Sie trat vor ihn und sagte: »Was gedenken sie jetzt zu tun?«
»Würden Sie sich bitte hinsetzen? Sie stehen mir im Licht.«
Sie trat einen
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