Zwischen Leidenschaft und Liebe
geteilt oder ihnen geschenkt hatte - einen Mann, der fünfunddreißig oder auch hundertundfünf Jahre alt sein konnte. Es war unmöglich, sein Alter nach seinem Aussehen einzuschätzen, denn er war von dem Torf, den er zum Destillieren seines Whiskys verwendete, braun geräuchert. Er benützte Torfwasser für seinen Whisky; er trank dieses Wasser nicht, und ganz bestimmt hatte er auch noch nie darin gebadet.
Trevelyan drehte sich zu Claire um und wollte eine Entschuldigung für das Aussehen dieses schrecklichen kleinen Mannes aussprechen; doch was er jetzt sah, waren zwei Menschen, die sich auf den ersten Blick ineinander verliebt hatten. Claires Gesicht leuchtete auf, und sie trat mit ausgestreckter Hand auf den Mann zu: »Lord MacTarvit!«
»Lord MacTarvit«, wiederholte Trevelyan mit einem verächtlichen Schnauben. Niemand hatte seit Jahren den alten Mann anders angeredet als schlicht und einfach »MacTarvit«. Aber er war ein Clanchef.
Trevelyan sah, wie das Gesicht des alten Mannes weich wurde und sich die lederartigen Runzeln zu einem lächerlichen Ausdruck entspannten, der ihn aussehen ließ wie einen Gnom. »Ach, Mädchen«, schnurrte der alte Mann wie eine Katze, nahm Claires Hand in seine Rechte und tätschelte sie mit der Linken. »Komm in meine bescheidene Hütte. Möchtest du einen Schluck probieren?«
»Von Ihrem Whisky?« fragte Claire und vermittelte dabei den Eindruck, als hätte sie jede Sorte Whisky, die es auf der Welt gab, probiert und seine bei weitem am besten gefunden.
Trevelyan schnitt eine Grimasse und folgte den beiden zu einer niedrigen, mit Reet gedeckten Hütte, aber MacTarvit verstellte ihm den Weg.
Als er Trevelyan ansah, hatten sich seine gnomenhaften Züge wieder zu seiner normalen wütenden Fratze verzogen. »Und was würden Sie wohl von mir wollen?«
»Wenn Sie glauben, ich würde das Mädchen mit einem Mann wie Ihnen alleinlassen, ist Ihr Verstand schon stärker eingetrocknet, als ich bisher angenommen habe.«
Diese Bemerkung schien dem alten Mann zu gefallen, und er trat beiseite, um Trevelyan passieren zu lassen; vertrat ihm dann jedoch auf der Schwelle zum zweitenmal den Weg.
»Ich dachte, Sie wären tot.«
Trevelyan warf ihm einen harten Blick zu. »Sie glaubt, ich wäre tot.«
MacTarvit runzelte bei diesen Worten die Stirn und stand einen Moment da, als müsse er darüber nachdenken, nickte dann und ging in seine Hütte. Trevelyan folgte ihm.
Von dem Augenblick an, in dem Trevelyan über die Schwelle von MacTarvits Haus trat, wurde er zum Beobachter. Sein Leben lang hatte er die Mitglieder seiner Familie die MacTarvits verfluchen hören. Sein Vater hatte sich endlos über die Diebereien der Familie beklagt und ihre Weigerung, zu kaufen und zu verkaufen, wie das alle anderen taten. Trevelyan war in dem Glauben aufgewachsen, daß es auf der Welt ohne die MacTarvits besser aussähe.
Aber jetzt saß er auf einem dreibeinigen Schemel an einer Wand, beobachtete die romantische junge Amerikanerin und den alten Mann und sah MacTarvit in einem ganz anderen Licht. Angus MacTarvit war ein Mann aus der Vergangenheit. Er war ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit - einer Zeit, in der die Clans noch mächtig waren und sich gegenseitig bekriegten. MacTarvit stammte aus einer Epoche, in der Männer wegen ihres geschickten Umgangs mit Waffen und nicht ihrer guten Kontoführung wegen geschätzt wurden. Er war ein Mann, dessen Familie einer anderen jahrhundertelang gedient hatte, und versuchte verzweifelt, an den alten Lebensweisen festzuhalten.
»Warum gaffen Sie mich so an?« fragte MacTarvit Trevelyan in feindseligem Ton.
»Beachten Sie ihn nicht«, sagte Claire. »Er sieht jeden so an. Das gibt ihm das Gefühl, daß er alles besser weiß.«
Trevelyan schnaubte und sagte: »Jedenfalls besser als ihr beide.«
»Und jetzt verrate mir mal, Mädchen, was du hier treibst?«
»Ich soll den Herzog heiraten«, erwiderte sie vergnügt.
MacTarvit blickte zu Trevelyan hin.
»Sie soll Harry heiraten«, sagte Trevelyan leise.
Angus runzelte bei diesen Worten die Stirn, und Trevelyan wußte, daß er über die Sachlage nicht recht im Bilde war. MacTarvit hatte Trevelyan sofort erkannt. Und wenn er wußte, wer Trevelyan war, dann wußte er auch, daß er der älteste noch lebende Sohn der Familie und deshalb auch der Herzog war. Trevelyan lächelte, als er sah, wie verwirrt der alte Mann war, und dachte gar nicht daran, seine stumme Frage zu beantworten.
»Was hast du mit dem da zu
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