Zwischen Leidenschaft und Liebe
weitersprechen, sondern befahl: »Öffnen Sie Ihr Notizbuch.«
Noch ehe Claire das kleine Notizbuch aufschlagen konnte, begann die Herzogin bereits in raschem Tempo zu diktieren:
»Wir werden mit den Erbsen anfangen. Mein Sohn ißt Erbsen zu Lamm- und Ochsenfleisch, jedoch nie zu einem Hühnergericht, solange es sich nicht um ein Frikassee handelt. Zu Hühnerfrikassee müssen immer Erbsen gereicht werden. Natürlich ißt er auch keine Erbsen zu einem Hammelbraten, aber zu gebratenem Lamm kann man sie servieren; jedoch nur, wenn das Lamm noch kein halbes Jahr alt ist. Erbsen können auch zu Kalbfleisch gereicht werden; jedoch nur im Frühjahr. Keine Erbsen zu Kalbfleisch im Winter, und schon gar keine Erbsen zu Fisch jeder Art! Natürlich gehören Erbsen auch nicht zu Wildgerichten, abgesehen von jungen gebratenen Tauben. Sollen wir jetzt mit den Karotten fortfahren?«
Während dieses Vortrags hatte Claire nicht einmal Zeit gefunden, ihren Mund aufzumachen, geschweige denn ihr Notizbuch aufzuschlagen. Aber bei dem Wort >Karotten< bewegte sie sich zu einem Sessel, um dessen Rückenlehne als Auflage für ihr Notizbuch verwenden zu können, und begann so schnell, wie es ihr möglich war, mitzuschreiben. Aber es war bei weitem nicht rasch genug. Die Herzogin erteilte ihr Instruktionen für Gemüse-, Fleisch- und Wildgerichte und wie und wann sie Harry serviert werden konnten. Es war alles viel zu kompliziert, als daß Claire es hätte verstehen oder gar niederschreiben können.
Sobald die Herzogin mit dem Essen durch war, kam sie auf Harrys schlechten Rücken zu sprechen und wie Claire im Falle von Rückenschmerzen bei ihm zu verfahren habe. Die Behandlung umfaßte Zelte, die mit Dampf gefüllt werden mußten, heiße Handtücher und Umschläge mit aromatischen Kräutern.
Claire dürfe, fuhr die Herzogin in strengem Ton fort, bei Harry niemals die Stimme erheben, niemals mit ihm streiten und ihm niemals Ärger machen. Die Herzogin setzte ihr sodann auseinander, welche Spiele Harry beherrschte und welche nicht, und legte ihr nahe, Harry bei allen Kartenspielen gewinnen zu lassen. »Das Gewinnen macht ihm viel Freude«, sagte sie.
Als nächstes wies sie Claire auf die Farben hin, die Harrys Kleider haben müßten. Jedenfalls dürfte Harry nie, niemals Wollstoffe auf seiner zarten Haut tragen. Mit einem ärgerlichen Blick auf Claire erklärte die Herzogin, sie könne unter keinen Umständen billigen, daß Harry diese abscheulichen schottischen Kleider trug. Dieser wütende Blick sollte Claire darüber aufklären, daß die Herzogin ihr die Schuld dafür gab, daß Harry mit bloßen Beinen umherlief und sie ihn mit ihrer absurden Vorliebe für Schottenröcke fast umbrachte. Claire hörte sich eine Entschuldigung murmeln.
Die Herzogin kam anschließend auf Harrys Zeiteinteilung zu sprechen und was er wann am Tage tun oder nicht tun konnte. Sie verurteilte Claires Egoismus, weil sie ihn aus seinem warmen Bett gejagt hatte, um ihr den Besitz zu zeigen. »Mein Sohn ist ein Mann, der Menschen gern gefällig ist. Er liebt es, anderen ein Geschenk zu machen. Er wird immer das tun, worum man ihn bittet, denn er ist sehr großzügig. Doch heute morgen habe ich ihm angesehen, daß er fast krank war, weil er vorgestern schon in aller Frühe in unangemessener Kleidung in der Kälte herumreiten mußte.«
Claire hatte keine Ahnung, daß Harry eine so zarte Konstitution besaß und daß er sich so leicht erkältete oder einen schwachen Rücken hatte, und sie bekam Gewissensbisse, weil sie unaufmerksam gewesen war und das alles nicht bemerkt hatte. »Ich werde in Zukunft vorsichtiger sein«, murmelte sie.
»Ja, das kann ich Ihnen nur raten.«
Um sieben, nach den zwei längsten Stunden ihres Lebens, kam Harry ins Zimmer. Claire war so froh, ihn zu sehen, daß sie fast zu ihm gelaufen wäre und ihn umarmt hätte, aber der Gedanke an seinen schwachen Rücken hielt sie davon ab.
»Mutter«, sagte Harry munter, »ihr sitzt ja schon seit einer Ewigkeit zusammen.« Er trat zu ihr, gab ihr einen Kuß auf die Wange und setzte sich dann auf ihre Sessellehne.
Claire beobachtete von ihrem Standort hinter dem Sessel aus, wie das Gesicht der Frau weich wurde, als sie ihren Sohn ansah. Ihre Augen wirkten viel jünger, fast so verklärt wie bei einem Mädchen, das das Gesicht ihres Liebhabers betrachtet. Claire betrachtete Harry und bemerkte, wie zärtlich die beiden zueinander waren. Und als sie die beiden zusammen sah, wußte sie, daß sie für
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