Zwischen Leidenschaft und Liebe
dunkelblauer Seide, das jedoch schon mindestens zehn Jahre aus der Mode war. Unter dem Kleid konnte Claire den schweren schwarzen Schuh am linken Fuß erkennen.
»Wie geht es Ihnen, Euer Gnaden?« fragte Claire, die Frau anlächelnd.
Die Herzogin erwiderte ihr Lächeln nicht. Sie forderte Claire auch nicht auf, Platz zu nehmen. Claire blieb dort stehen, wo sie gerade stand, und wußte nicht, was sie machen sollte. Sie sah, wie die Herzogin eine Tasse Tee einschenkte und trat vor, weil sie meinte, daß sie für sie bestimmt sei.
Die Herzogin bot ihr aber keinen Tee an. Sie hob die Tasse an ihre Lippen und trank.
Claire wich wieder einen Schrift zurück, verwirrt und peinlich betroffen.
»So, Sie beabsichtigen also, meinen Sohn zu heiraten.« Die Frau musterte Claire von Kopf bis Fuß. »Sind sie noch Jungfrau?«
Claire blinzelte ein paarmal. »Jawohl, Ma’am«, flüsterte sie. »Das bin ich.«
»Gut. Ich möchte nicht, daß mein Sohn gebrauchte Ware bekommt.«
Claire schluckte. Das war nicht die Art von Gespräch, die sie sich vorgestellt hatte. Sie machte einen Schritt auf einen Sessel zu, um dort Platz zu nehmen, aber die Hand der Herzogin, die die Tasse zum Mund führte, blieb plötzlich auf halbem Weg in der Luft hängen, und der entsetzte Blick, den die Gastgeberin Claire zuwarf, zwang sie unwillkürlich, sich wieder aufzurichten und ihr Vorhaben aufzugeben.
»Ich nehme an, daß Ihnen nichts fehlt - daß Sie Kinder bekommen können.«
»Ja, Ma’am«, flüsterte Claire. »Ich glaube, daß ich das kann.«
»Das Gebären von Kindern ist Ihre erste Pflicht als elfte Herzogin von MacArran. Sie müssen meinem Sohn eigene Söhne schenken. Es sollte ein Sohn im ersten Ehejahr geboren werden und ein zweiter im darauffolgenden Jahr. Danach hängt alles vom Wunsch meines Sohnes ab.«
Claire spürte, wie sie errötete. »Ich werde mein Möglichstes tun.«
Die Herzogin nahm eine Untertasse, legte ein kleines, mit Zuckerguß versehenes Törtchen darauf und aß. »Sich um meinen Sohn zu kümmern ist Ihre zweite Pflicht. Solange ich lebe, kümmere ich mich um ihn. Ich werde darauf achten, was er braucht, und daß er bekommt, was er sich wünscht. Aber ich bin nicht immer hier, und deshalb müssen Sie einen Teil meiner Verantwortung für ihn übernehmen.«
Claire dachte, als die Herzogin erklärte, daß sie nicht immer >hier< sei, sie meinte damit, daß sie sich auf ihren Witwensitz zurückziehen würde - ein wunderschönes Haus, das Claire erst tags zuvor besichtigt hatte. Claire lächelte. »Ich bin niemals in der Lage, Sie in Harrys Leben zu ersetzen, und bin überzeugt, daß er Sie oft besuchen wird. Ich bin sicher, daß er ...«
Die Herzogin warf Claire einen so wütenden Blick zu, daß sie unwillkürlich zurückwich - einen Blick, in dem sie fast Haß zu erkennen glaubte. »Mich besuchen? Wollen Sie damit sagen, mein Sohn würde mich aus seinem Haus werfen?«
»Nein, Ma’am«, stammelte Claire. »Ich nahm an, Sie möchten Ihren Witwensitz bewohnen.«
Die Herzogin schickte Claire nun einen Blick zu, aus dem der blanke Hohn sprach. »Sie wollen meine Zimmer haben, nicht wahr? Sie wollen nicht nur meinen Sohn, sondern auch meine Wohnung? Was verlangen Sie denn noch alles?«
In diesem Moment wünschte sich Claire nichts sehnlicher, als diesen Raum verlassen zu können und ihn nie wiederzusehen. »Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu kränken«, murmelte sie leise mit gesenktem Kopf. Sie wollte Harrys Mutter nicht verärgern, wollte nicht, daß sie zu Harry sagte, die Frau, die er zu heiraten gedachte, wäre eine aggressive Amerikanerin.
Die Herzogin beobachtete Claire und gab dann einen Laut von sich, als sei sie von Claires Erklärung besänftigt. »Also gut«, sagte sie schließlich. »Es ist besser, wenn wir beide miteinander auskommen. Was nach Lage der Dinge gar nicht so einfach ist.«
Claire ließ den angehaltenen Atem entweichen und schenkte ihr ein zaghaftes Lächeln. »Ich denke, es wäre um Harrys willen gut, wenn wir Freunde würden. Er schätzt Sie sehr.«
»Natürlich tut er das«, schnaubte die Herzogin.
Claire spannte wieder die Muskeln an. Alles, was sie sagte, schien diese Frau zu beleidigen.
»Wollen wir nicht fortfahren, über Ihre Pflichten zu reden?« fragte die Herzogin. »Sie müssen lernen, wie Sie sich um meinen Sohn zu kümmern haben.«
»Ja«, sagte Claire. »Ich möchte gern mehr über Harry wissen. Er...« Die Herzogin schnitt ihr das Wort ab, ließ sie nicht
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