Zwischen Leidenschaft und Liebe
er das anstellen sollte. Ja, das war der Grund. Sie war sich dessen sicher.
Sie nahm das Kleid aus dem Schrank und lächelte. Ja, das mußte der Grund sein.
11. Kapitel
»Ich möchte jedes Wort von dir wissen, das sie gesagt hat«, verlangte Eugenia, die Herzogin von MacArran, von ihrem jüngsten Sohn.
»Mutter«, sagte Harry in flehendem Ton, »ich bin überzeugt, daß Claire nicht die Absicht hatte ...«
»Ich bilde mir meine Urteile schon selbst!«
»Sie ist Amerikanerin. Man muß nachsichtig sein.«
Eugenia fixierte ihren Sohn mit einem durchbohrenden Blick.
»Also gut«, sagte Harry düster. »Heute morgen nahm ich sie mit auf Besichtigungstour. Charles begleitete uns - oder sollte ich besser sagen, wir begleiteten ihn?« Harry hielt einen Moment inne. »Ich hatte keine Ahnung, daß auf dem Gut so viel los ist. Es war interessant - nicht, daß ich diese Tour wiederholen möchte -, aber sie war interessant. Ich muß allerdings zugeben, daß die Amerikaner schon seltsame Menschen sind.«
»Was hat sie gemacht?«
»Sie schien die Kinder zu mögen - die ganze rotzige Bande. Sie trank Milch aus Eimern, an denen Kuhdung klebte. Es ist ein Wunder, daß ihr davon nicht übel wurde.«
»Vielleicht solltest du solche Sachen nicht mehr zulassen, wenn ihr verheiratet seid.«
Harry zuckte mit den Achseln. »Ich glaube nicht, daß das noch wichtig ist, wenn wir erst einmal verheiratet sind. Dann verschwindet die ganze schmutzige Bettlerbande von unserem Land, nicht wahr?«
»Du hast ihr das doch wohl nicht gesagt, oder?« erkundigte sich Eugenia mit scharfer Stimme.
»Ich bin doch kein Idiot! Ich werde ihr doch nicht verraten, daß du vorhast, ihre hochgeschätzten Ackerbauern nach Amerika oder sonstwo hinzuschicken, ihre scheußlichen alten Häuser abzureißen und Schafe über das Land zu verteilen.«
»Ich weiß gar nicht, warum du das so sagst, als wäre es etwas Schlimmes! Ich mache doch nur, was fast alle Landbesitzer schon getan haben.« Eugenias Stimme nahm einen traurigen Ton an. »Schließlich tue ich es ja nur für dich, Harry.«
»Ich weiß, Mutter, und ich bin dir dafür ja auch dankbar. Ich bin genauso froh wie du, wenn wir diese alten Häuser endlich los sind. Dann kann ich die Jagden auch über die Felder führen.«
»Und von den Schafen profitieren.«
»Nun sprichst du schon wie Claire.«
»Was soll das heißen?« schnaubte Eugenia. »Willst du damit sagen, daß ich deiner Amerikanerin, die sich in alles einmischt, ähnlich bin?«
»Nein, natürlich nicht. Ich meinte damit nur, daß Claire ständig von irgendwelchen Möglichkeiten, zu Geld zu kommen, redet. Sie will Bäume fällen, Getreide auf den Feldern anbauen, sie will sogar Brombeermarmelade verkaufen. Ich weiß nicht, was sie sonst noch alles vorhat - mir schwirrte schon der Kopf beim Zuhören.«
»Sie hat vor, die Leitung dieses Besitzes zu übernehmen«, sagte Eugenia leise. »Sie möchte mich von diesem Besitz vertreiben!«
»Ich wüßte nicht, daß sie so etwas gesagt hätte. Ich sehe nicht ein, warum meine Mutter und meine Frau nicht Zusammenarbeiten könnten. Wenn ihr beide diesen Besitz in ein gewinnbringendes Unternehmen verwandeln wollt, warum arbeitet ihr dann nicht zusammen?«
Eugenia blickte ihren Sohn lange an, sah, wie er sich in seinem Stuhl räkelte und sich schon langweilte, wenn er nur das Wort Arbeit hörte. Wir und Zusammenarbeiten, dachte Eugenia. Was Harry nicht begriff, war die Tatsache, daß sich zwei Frauen in einen Machtkampf verwickeln würden, und daß Eugenia entschlossen war, diesen zu gewinnen.
Eugenia ließ ein lautes Wimmern hören und legte die Hand an ihren Fußknöchel. Ihr linker Fuß war von einem dicken Lederstiefel mit extra hohem Absatz umschlossen.
Harry war sofort hellwach. »Hast du Schmerzen, Mutter? Möchtest du dich hinlegen?«
»Nein«, erwiderte Eugenia mit schwacher Stimme. »Ich habe keine Schmerzen, jedenfalls nicht größere als sonst - nicht mehr als jeden Tag seit deiner Geburt. Es ist das Herz, das mir jetzt weh tut. Wenn du heiratest, wirst du nicht länger mein Sohn sein.«
Harry ließ sich auf den Boden neben seiner Mutter nieder und legte den Kopf auf ihre Knie, wie er das schon tausende Male gemacht hatte. »Was redest du da für einen Unsinn? Ich könnte dich niemals vergessen.«
Sie strich über sein feines blondes Haar. »Es ist Tradition, daß sich die Mutter mit dem Tage, an dem sich der Sohn verheiratet, auf den Witwensitz zurückziehen muß. Wenn du
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