Zwischen Licht und Dunkel
Schüssel gefüllt und es kann losgehen. Eurovision überall. Nach vollbrachter Live-Fernsehübertragung geht's zum Aprés-Eurovisions- Clubbing. Wieder einmal wird eingeladen zur offiziellen Eurovisions-Party, gespickt mit isländischen Eurovisions-Stars und -melodien. Es darf gefeiert werden, denn Island hat mit Eiríkur einen neuen Helden. Hat er doch bewiesen, wie präsent Island in Europa ist.
Puh … Wieder einmal wäre es vollbracht. Doch Island ruhte sich nicht lange auf seinen mehr oder weniger üppig ausgefallenen Lorbeeren aus. Denn bereits nach der Sommerpause ging es im Herbst 2007 in die nächste Runde. Die Vorauswahl für den Song kam ins Rollen, der im Folgejahr der Auserwählte sein sollte. Über Monate hinweg, Samstag für Samstag abend, fiel die beste Sendezeit der Fernsehshow „Samstagsmelodien“ zum Opfer. Ich war wirklich sehr tapfer, denn wer so wie ich das Sofa mit einem Isländer teilt, hat keine Alternative. Stefán fand alles nur halb so schlimm: „Eurovision ist Teil der Kultur, mit der ich aufgewachsen bin.“ Im Mai 2008 konnte Island schließlich erstmals die Vorauswahl- Hürde nehmen. Dass dann aber im Folgejahr die blutjunge Yohanna mit Is it true? den zweiten Gesamtplatz einnahm, war das Tüpfelchen auf dem „i“ der isländischen Glückseligkeit.
Ob meine Stimme zu diesem Erfolg wenigstens ein bisschen beigetragen hat? Ich muss nämlich etwas gestehen: Obwohl ich den 2009er Wettbewerb nur aus der Ferne miterlebte, auf einem Heimatbesuch in Nürnberg, gelang es mir beim besten Willen nicht, mich ihm ganz zu entziehen. Als meine Insel in der Endausscheidung auf der Bühne auftauchte – das Ergebnis der Vorauswahl war mir unbekannt – konnte ich den kleinen Freudenschrei nicht unterdrücken, der mir in der Kehle steckte. Ich musste einfach mitwählen. Áfram Ísland – vorwärts Island!
Gaumenfreuden
„Halten Sie Ihre Miene im Zaum!“ ermahnte Professor Pfeiffer ehemals seine Schützlinge, als Leiter des Fachgebiets Bromatologie – Hygiene und Technologie der Nahrung und Lebensmittelrecht an der Technischen Universität München-Weihenstephan. Dort hatte ich zuerst studiert und später als wissenschaftliche Assistentin gearbeitet. Herr Professor meinte damit den angemessenen Respekt im Umgang mit Lebensmitteln, selbst wenn sie keine spontanen Sympathien wecken. Nur nicht durch ein „Igitt“ oder den gleichbedeutenden Gesichtsausdruck Traditionen beleidigen! Als Ökotrophologin, der das Interesse an unbekannten Lebensmitteln auf den Leib geschrieben ist, beherzigte ich diese Regel nach bestem Wissen und Gewissen, als ich mit einigen ganz und gar traditionellen Lebensmitteln meiner Wahlheimat Bekanntschaft machte. Und in diesem Unterfangen gilt es mitunter tatsächlich, sein kulinarisches Stehvermögen unter Beweis zu stellen.
Zum Einstieg nahm ich mir hákarl vor, fermentierten Haifisch. Frisch ist er schlichtweg giftig, da sein Fleisch Stoffwechselendprodukte enthält, die aus Ermangelung eines Nierensystems nicht – wie sonst üblich – über den Harnweg ausgeschieden werden können. Der Haifisch uriniert nämlich nicht. Um die Giftstoffe zu eliminieren und den Fisch damit für den Menschen genießbar zu machen, grub man ihn ursprünglich für mehrere Wochen fest in groben Sand oder Kies ein, am besten am Strand. Dort war die regelmäßige Spülung gleich inbegriffen. Heutzutage presst man die Haifischstücke statt dessen in große Plastikbehälter mit Abtropflöchern. Der nächste Verarbeitungsschritt heißt Trocknen. Gar nicht weit von meinem Reykjavíker Domizil steht ein kleines, luftiges Holzhäuschen, das von eigentümlichen Duftwolken umweht ist. Durch die Ritzen in der Wand entdeckte ich irgendwann die in Reih und Glied aufgehängten Haifischstücke. Serviert wird das Ergebnis der Prozedur meist in Form von kleinen, weißlichen Würfeln. Schon ihr Geruch verspricht, was beim Verzehr zu erwarten ist: Er ist der Begegnung mit konzentriertem Ammoniak nicht unähnlich. Doch ohne mit der Wimper zu zucken verspeiste ich mein erstes hákarl -Probierhäppchen. Belohnt wurde ich mit der ungeteilten Be- und Verwunderung der Umstehenden. Nein, ich brauche ihn trotzdem nicht zu meinem Glück, den hákarl , und habe nicht vor, mir in absehbarer Zeit mehr davon einzuverleiben. „Wie ein uralter Socken aus dem Wikingerzeitalter“ soll einmal jemand über ihn geurteilt haben.
Und doch gibt es in der Aroma-Kategorie „Ammoniak“ noch eine Steigerung: skata ,
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