Zwischen Licht und Dunkel
das so wohl behütete Inselareal zu beschleichen droht. Ganze Wellen der Empörung löste eine geplante Veranstaltung mit dem schönen Namen Snow Gathering aus. Es sollte ein Treffen derer werden, die im Pornogeschäft tätig sind. Trotz ihrer ausdrücklichen Zusicherung, die Nordinsel lediglich auf die allgemein übliche Art genießen zu wollen, anstatt nahe liegenden und nicht jugendfreien Beschäftigungen nachzugehen, wurde die Veranstaltung im letzten Moment von isländischer Seite her abgesagt. Der massive Druck aus Medien- und Politikkreisen hatte keine andere Wahl gelassen. Auch Teilnehmern des berühmten Motorrad- und Rockerclubs Hells Angels wurde das Betreten der Insel untersagt, weil es angeblich erwiesen sei, dass nicht jedes Mitglied eine ganz und gar blütenweiße Weste habe. Kaum zu glauben, welcher Aufschrei über die Insel schallte! Wie wenn es sich jeder einzelne zur persönlichen Aufgabe gemacht hätte, seine Heimat „schadlos“ zu halten. Fairerweise muss ich sagen, dass trotz allem auch Gegenstimmen laut wurden, die Unverständnis und Beschämung für das Verhalten des eigenen Landes zum Ausdruck brachten.
Was das weiter oben angesprochene Olympia-Halbfinale betrifft, behielten die Isländer so gut wie immer die Oberhand. Nur ein einziges Mal konnten die gegnerischen Spanier ein paar Minuten lang einen höheren Punktestand verzeichnen. Da Stefán in seiner Funktion als Reiseleiter unterwegs war und sich meines Wissens nach ausgerechnet dieses Spiel entgehen lassen musste, hielt ich ihn mittels SMS über den aktuellen Spielstand auf dem Laufenden. Ich schickte umso mehr, je weiter das Spiel fortschritt, denn „das ist ein Abenteuer, das kein Ende nehmen sollte!“ ergötzte sich der Kommentator an der hervorragenden isländischen Leistung. Endstand 36-30 für Island. Das bedeutete den Einzug ins Finale, sicheres „Silber“ und damit den bislang größten Erfolg der isländischen Sportgeschichte. Die erste Medaille in einer Mannschaftssportart und insgesamt die vierte in Islands Olympia-Geschichte. Viel mehr noch, niemals zuvor durfte eine dermaßen kleine Nation überhaupt eine solche Trophäe nach Hause tragen. „Ich hoffe, dass sich unser Volk dessen bewusst ist, welch unglaublicher Sieg das ist. Dieses Team schrieb ein neues Kapitel nicht nur in der Sportgeschichte, sondern auch der Geschichte der Republik“, so Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson nach dem Spiel. Er erlebte es mit seiner Gattin Dorrit in China hautnah. „Island ist im Endspiel! Ich kann es gar nicht glauben, dass ich das sagen darf!“ Nicht nur der Kommentator und die Spieler vergossen Freudentränen, sogar ich.
Letztendlich wurde es Silber. Für die Spieler gab es einen beinahe königlichen Empfang in der Heimat, einen Orden aus Präsidentenhand und in einer Hinsicht wahrscheinlich doch Gold: auf der Medaillenstatistik, nach dem Pro-Kopf-Prinzip bemessen. 1 Til hamingju Ísland , herzlichen Glückwunsch!
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1 Siehe Kapitel „Die heimlichen Weltmeister“.
Der Eurovision Song Contest – ein Straßenfeger
Ein bisschen Frieden . Wer kennt das Liedchen nicht, mit dem die Sängerin Nicole Anfang der 1980er Jahre den Sieg für Deutschland beim Eurovision Song Contest einheimste – oder beim Söngvakeppni Evrópskra Sjónvarpsstöðva, wie er auf isländisch heißt. Hier ist der jährliche Liederwettbewerb weit mehr als nur Musik in den Ohren. Als in schönster Regelmäßigkeit wiederkehrendes Forum, sich den übrigen Nationen Europas zu zeigen und dabei isländischen Nationalstolz in seiner ganzen Pracht zur Schau zu tragen, hat er echten Kultstatus.
Ich glaube kaum, dass ein anderes Teilnehmerland das zu übertreffen vermag, was auf Island vor, während und nach dem Eurovision Song Contest geboten ist, dem jährlichen Großereignis im Wonnemonat Mai. Das muss man wirklich einmal erlebt haben, um es zu glauben. Nehmen wir als Beispiel die Veranstaltung in Helsinki 2007. Zunächst wird der isländische Beitrag ausgewählt. Damit dem Bürger die in Frage kommenden Songs rechtzeitig geläufig sind, werden sie in einem vierteiligen Fernsehprogramm vorgestellt. Ist dies geschehen, entscheidet die Nation in einer großen, live im Fernsehen übertragenen Show mittels Telefonwahl darüber, wer der Auserwählte sein soll: Es gewinnt Eiríkur Hauksson mit dem Song Ég les í lófa þínum im isländischen Original beziehungsweise Valentine Lost in der englischen Version. Ein alter Eurovisionshase
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