Zwischen Macht und Verlangen
sie zurückzuhalten.
„Ich glaube, es ist besser, wir fahren jetzt los“, flüsterte Shelby fast unhörbar. „Es ist schon beinahe dunkel.“
Das Haus der Ditmeyers und die dazugehörige Auffahrt waren hell erleuchtet.
Myra versuchte erst gar nicht ihr zufriedenes Gesicht zu verbergen: „Ihr kennt euch schon, wie ich sehe!“
„Wie kommst du denn darauf?“ konterte Shelby mit Unschuldsmiene und trat ein.
Myra blickte von einem zum anderen. „Riecht es hier nach Erdbeeren, oder täusche ich mich?“
„Hier ist deine Lampe“, lenkte Shelby ab und wies auf den Karton, den Alan abgestellt hatte. „Wo soll sie hin?“
„Macht euch keine Mühe, ich lasse sie auspacken.“ Myra hakte die Gäste unter und führte sie in den Salon. „Wir sind nur ein kleiner Kreis, deshalb können wir uns herrlich ungestört unterhalten. Gib uns noch zwei von deinen wundervollen Aperitifs, Herbert!“, rief sie ihrem Mann zu. „Die müsst ihr unbedingt versuchen, es ist seine neueste Erfindung.“
„Hallo, Herbert.“ Shelby trat auf den Hausherrn zu und umarmte ihn herzlich.
Sein Gesichtsausdruck war gütig wie der eines liebevollen Großvaters. Nichts erinnerte daran, dass er zu den Spitzenleuten im Gerichtswesen des Landes gehörte. „Ich glaube, ihr kennt alle anderen Gäste, nicht wahr? Ich hole jetzt eure Drinks.“
„Guten Abend, Mama!“ Shelby küsste ihre Mutter auf die Wange. Ihr Blick fiel auf funkelnde, offensichtlich neue Brillanttrauben in Deborahs Ohrläppchen „Die kenne ich noch gar nicht, sonst hätte ich sie mir längst ausgeborgt!“
Zarte Röte huschte über das Gesicht von Shelbys Mutter. „Ein Geschenk von Anton“, erklärte sie. „Zum Dank für die Party, die ich ihm neulich arrangiert habe.“
„Aha!“ Shelby wandte sich dem stattlichen Franzosen zu, der neben ihnen stand. „Sie haben ausgezeichneten Geschmack, Herr Botschafter.“ Galant küsste dieser Shelbys Hand.
„Sie sehen zauberhaft aus wie immer, Shelby!“ Und dann zu Alan: „Wie erfreulich, dass man sich in so gemütlicher, intimer Runde trifft, Senator.“
„0 Senator MacGregor!“ Deborah Campbell sah zu Alan auf, „ich wusste nicht, dass Shelby und Sie sich kennen.“
„Wir bemühen uns, eine alte Familientradition zu durchbrechen.“
„Er meint die Fehde“, erklärte Shelby, als sie den verblüfften Gesichtsausdruck ihrer Mutter bemerkte. Dann setzte sie sich auf die Lehne von Myras Sessel.
„Ach ja, natürlich. Die Campbells und die MacGregors waren in Schottland verfeindet allerdings, weiß ich nicht recht, warum und weshalb.“
„Die Campbells haben unser Land gestohlen“, meinte Alan freundlich.
„Das ist nicht wahr“, mischte sich Shelby ein und nippte an ihrem Cocktail. „Wir erwarben MacGregor’schen Besitz durch königlichen Erlass, aber die wollten das nicht anerkennen.“
Alan schaute interessiert auf. „Es wird mir ein Vergnügen sein, zuzuhören, wenn Sie diesen Punkt mit meinem Vater diskutieren!“
„Welch faszinierende Vorstellung!“ Myra war entzückt. „Herbert, kannst du dir ausmalen, wie unsere Shelby und Daniel MacGregor einander gegenüberstehen?“ Sie klatschte in die gepflegten Hände. „Diese Unmengen von rotem Haar und die unglaubliche Sturheit auf beiden Seiten! Das müssen Sie in die Wege leiten, Alan.“
„Ich dachte auch schon daran.“
„Stimmt das?“ Shelby zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
„Allerdings, sogar ziemlich intensiv.“
„Ich bin einmal zu Besuch gewesen in Hyannis Port, auf diesem sagenhaften Landsitz der MacGregors“, schwärmte Myra und tätschelte Shelbys Arm, „das liegt hundertprozentig auf deiner Linie, Shelby. Du liebst doch alles, was echt ist und einmalig.“
„Das stimmt“, mischte sich Mrs. Campbell ein, „allerdings konnte ich nie herausfinden, warum das so ist. Meine beiden Kinder hatten stets einen merkwürdigen Geschmack. Bei all ihrer Intelligenz und ihrem Talent sind sie ruhelos und suchen nach Neuem. Ich hoffe sehr, dass sie dennoch sesshaft werden.“ Sie lächelte Alan mit ihren berühmten schönen Augen an: „Sie sind auch noch nicht verheiratet, Senator?“
„Wenn es euch lieber ist, kann ich ja inzwischen in die Küche gehen“, meinte Shelby trocken, „dann könnt ihr in aller Ruhe über die Höhe meiner Mitgift sprechen.“
„Aber Shelby!“ Ihre Mutter war schockiert, doch der Richter amüsierte sich großartig.
„Es ist stets für Eltern schwierig, ihre Kinder als erwachsene Menschen zu
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