Zwischen Macht und Verlangen
diesem Punkt sind wir ganz und gar gegensätzlicher Meinung.“ Sie blieben auf einer Brücke stehen und betrachteten die stolzen Schwäne, die ruhig ihre Kreise zogen. „Ich bin nämlich fest davon überzeugt, dass es sein muss.“
„Sie verstehen mich nicht.“ Shelby wandte sich ab, um Alan nicht ansehen zu müssen. „Wenn ich einen Entschluss gefasst habe, dann bin ich hart wie Stein.“
„Das bedeutet nur, dass wir einander sehr ähnlich sind.“
Sonnenstrahlen ließen Shelbys langes Haar wie Flammen aufleuchten. Alan stellte sich vor, dass diese Lockenpracht auf einem weißen Kissen läge … „Ich habe Sie begehrt, Shelby, vom ersten Moment an, als ich Sie sah. Und mit jeder Minute begehre ich Sie mehr!“
Seine Worte und der raue, sinnliche Tonfall erregten Shelby. Sie wusste, dass sein Geständnis keine leere Phrase war. Alan MacGregor sagte genau, was er meinte.
„Und wenn es mir um eine Sache so ernst ist“, fuhr er fort und streichelte mit den Fingerspitzen Shelbys Kinn, „dann gebe ich niemals auf!“
Ihre Lippen öffneten sich, als sein Daumen sie berührte. Shelby konnte nichts dagegen tun und auch nichts gegen das Zittern in ihren Beinen. Doch sie wollte sich keinesfalls eine Blöße geben.
Beiläufig spielte sie mit dem Popcorn und fütterte die Vögel im Wasser. „Sie verschwenden viel Energie darauf, Senator, mir einzureden, dass auch ich mit Ihnen schlafen möchte.“
Alan lächelte. Langsam und genussvoll glitten seine Hände unter Shelbys Haar und legten sich um ihren Nacken. „Das ist überhaupt nicht mehr nötig“, sagte er und zog sie an sich. „Dieser Punk t ist längst geklärt. Sie sollen nur erkennen, dass Ihr Zögern unproduktiv, selbstzerstörerisch und hoffnungslos ist.“
Sie spürte, wie ihr seine Worte unter die Haut drangen und wie groß ihre Bereitschaft war, sich überzeugen zu lassen. Alans Lippen näherten sich ihrem Mund. Aber er zögerte, war vorsichtig. Jetzt nur nichts verkehrt machen! Außerdem scheute er sich instinktiv davor, seine Gefühle in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen.
Shelby lehnte sich über das Brückengeländer und sah zu, wie die Schwäne und Enten nach den Brocken tauchten. Alans Hände ruhten rechts und links neben ihr auf der Brüstung.
Shelby vergaß für eine Weile all ihre Bedenken und Ängs te, lehnte sich an ihn und legte den Kopf an seine Schulter. „Es ist ein wunderschöner Nachmittag!“ sagte sie leise.
Shelby hakte sich bei Alan ein und sie spazierten weiter.
„Ähnelt Grant Ihnen sehr?“
„Grant? Mir?“ Sie überlegte. „Eigentlich kaum. Er ist ein Eigenbrötler. Das war ich niemals. Wenn sich Grant unter Leuten bewegt, dann beobachtet er, nichts entgeht ihm. Er merkt sich alles, und irgendwann kommt es wieder zum Vorschein. Er ist lieber allein, wochen- und monatelang. Das könnte ich nicht.“
„Sicher nicht, aber Sie registrieren auch und behalten alles. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie jemals einem Mann Ihr Herz geöffnet haben.“
Shelby wollte ärgerlich entgegnen, sagte aber dann in gemäßigtem Ton: „Das klingt so, als wären Sie sauer, dass ich Sie nicht erhört habe.“
„‚Noch nicht‘ ist die bessere Formulierung“, korrigierte Alan und küsste ihr liebevoll die Hand. „Schließlich sind wir erst am Anfang.“
„Mmmm.“ Shelby sah auf, denn dicht neben ihnen begann ein Baby aus bemerkenswert kräftigen Lungen zu brüllen, worauf die besorgten Eltern eilig mit dem Kinderwagen davonfuhren. „Und außerdem in sehr intimer, verführerischer Umgebung.“
„Wir sind beide an Menschen gewöhnt.“
In einem Anflug von Übermut blieb Shelby – ungeachtet der vielen Leute – mitten auf dem Weg stehen, schlang ihre Arme um Alans Nacken und drückte sich an ihn. „Wie Recht Sie haben, Senator!“
Sie hatte erwartet, dass Alan sich lachend frei machen und weitergehen würde. Doch er dachte gar nicht daran. Sein Mund war greifbar nahe, die dunklen Augen blickten sie viel sagend an, und das Spannungsfeld zwischen ihnen lud sich zusehends auf. Ihre Herzen schlugen im gleichen Rhythmus. Drohend und gleichzeitig verheißungsvoll erwachte in ihren Körpern die Leidenschaft. Das hatte Shelby nicht beabsichtigt. Diese plötzliche Reaktion ängstigte sie.
„Lassen Sie uns lieber umkehren und nach Hause fahren“, sagte sie seufzend.
„Dafür ist es längst zu spät“, grollte Alan und schob Shelby in die Richtung des Zooausganges. Zum ersten Mal klang deutlich Verdruss in seiner
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