Zwischen Macht und Verlangen
überdimensionale Sonnenbrille mit dunkelblauen Gläsern auf die Nase.
Typischer Raubtiergeruch – streng und primitiv – lag in der Luft. Man hörte Papageien kreischen, Esel schreien und Mütter schimpfen, weil ihren Kindern Eiscreme über die Sonntagskleider getropft war. Shelby störte der Lärm und das Getümmel nicht im Mindesten. „Sehen Sie dort, Alan, der erinnert mich an Sie!“ Ihre Hand wies auf den Käfig der schwarzen Panther. Ein besonders schönes Exemplar lag faul in der Sonne und betrachtete uninteressiert den vorbeiziehenden Menschenstrom.
„Ach ja?“ Alan blieb stehen und studierte die Raubkatze. „Gleichgültig? Zahm geworden?“
Shelby lachte fröhlich: „O nein, Senator: geduldig und abwartend. Dabei ist er so arrogant, dass er sich einbildet, sein Gefängnis mache ihm nichts aus.“ Sie hatte sich auf die Barriere gestützt und beobachtete gespannt die Wirkung ihrer Worte.
„Er hat sich mit der gegenwärtigen Situation abgefunden, weil er einsieht, dass ihm keine Wahl bleibt. Ich möchte wissen“, Alan runzelte die Brauen und konzentrierte sich auf das Untersuchungsobjekt, „was er wohl tun würde, wenn er tatsächlich böse wäre. Wie er da so friedlich liegt, ist kein Zeichen von Leidenschaft an ihm zu sehen. Das scheint mir charakteristisch zu sein für Katzen. Sie bleiben lange ruhig, aber ein Tropfen kann doch das Maß zum Überlaufen bringen. Und dann wird es schlimm.“ Alan schaute mit undurchsichtigem Lächeln in Shelbys Augen, ergriff dann ihre Hand und zog sie weiter. „Aber ich vermute, dass er nur ganz, ganz selten böse wird.“
Shelby warf den Kopf zurück und begegnete ruhig seinem Blick. „Jetzt möchte ich die Affen sehen, ihr Felsen ähnelt sehr der Senats-Galerie.“
„Das war garstig“, schalt Alan und zog an einer ihrer leuchtend roten Locken.
„Ich weiß“, sagte Shelby schuldbewusst und legte ih ren Kopf einen Moment lang an Alans Schulter.
Plötzlich schlug ihre Stimmung um, und sie zog Alan fröhlich an einen Verkaufsstand. „Ohne Popcorn kann man wirklich nicht im Zoo herumwandern.“
Sie fischte einen Geldschein aus der Jeanstasche und zeigte auf die Preistafel: „Eine große Packung, bitte!“
Dann klemmte sie die Tüte unter den Arm und stopfte das Wechselgeld in die hintere Hosentasche. „Alan“, begann sie zögernd, schwieg aber wieder und setzte ihren Weg fort.
„Ja?“ Er streckte die Hand nach Popcorn aus und kaute.
„Ich war drauf und dran, Ihnen ein Geständnis zu machen. Aber so gut ist diese Idee wohl doch nicht. Wir müssen ja auch noch die Affen betrachten.“
„Glauben Sie im Ernst, dass ich mich mit einer so spannenden Ankündigung begnüge?“
„Na gut, Sie sollen es hören.“ Shelby holte tief Luft und sprach weiter: „Ich hatte gehofft, Sie zu entmutigen, wenn ich Sie heute durch den überfüllten Zoo schleppe, und dass Sie sich bestimmt zum Umfallen langweilen würden. Außerdem wollte ich mich bei dieser Gelegenheit so widerwärtig wie nur möglich verhalten.“
„Haben Sie sich widerwärtig benommen?“ Alans Ton war ruhig und verdächtig entgegenkommend. „Ich dachte, das sei Ihr natürliches Wesen!“
„Au, jetzt haben Sie es mir aber gegeben!“ Shelby verzog das Gesicht. „Jedenfalls kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es mir keineswegs geglückt ist, Sie abzuschrecken.“
„Tatsächlich?“ Alan lehnte sich sehr dicht an Shelby, um wieder in die Tüte zu greifen. Dabei flüsterte er ihr ins Ohr: „Woraus schließen Sie das denn?“
Sie räusperte sich. „Nur ein unbestimmtes Gefühl, weiter nichts.“
Alan war aufs Höchste mit sich zufrieden. Das Puzzle vervollständigte sich Stück für Stück. Demnach war er auf dem richtigen Weg. Er beschloss, einen Schritt nach vorn zu wagen. „Ihr Gefühl trügt Sie nicht“, sagte er. „Aber Sie scheinen einen sechsten Sinn zu haben, denn seit wir hier sind, habe ich nicht einmal angedeutet, dass ich mich viel lieber in einem kleinen, halbdunklen Zimmer mit Ihnen aufhalten würde, um Sie in die Arme zu nehmen – immer, immer wieder!“
Shelby blickte zu ihm auf. „Es wäre besser, Sie würden so etwas nicht sagen:“
„Ihr Wunsch ist mir Befehl!“ Alan legte seinen Arm kameradschaftlich um Shelbys Taille. „Solange wir im Zoo sind, will ich nicht mehr davon sprechen.“
Gegen ihren Willen musste sie lächeln, doch dann schüttelte sie traurig den Kopf. „Es wird mit uns nicht so weit kommen, Alan, ich kann es nicht.“
„In
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