Zwischen Mond und Versprechen
Nun, das ist anders gelaufen, als ich gedacht habe. Und du? «
Ich stöhnte.
» Du hast genug Zeit, dich umzuziehen und deinen Bus zu erwischen « , sagte sie. Ihre Worte weckten mich aus meiner Benommenheit. Ich hatte zwar ihren Blick auf die Uhr gesehen– ihre Bemerkung über das pünktliche Ende–, aber ich hatte nicht mitgekriegt, dass der ganze Tag verflogen war. Einen Augenblick lang überlegte ich, ob Pietr rechtzeitig in seine Stunden gekommen war. Harnek sagte etwas. » … die Feier? «
» Was? «
» Gehst du heute auch auf die Homecoming-Feier? « , wiederholte sie.
» Was soll ich da denn? « , flüsterte ich.
» Hm. Also, als deine neu ernannte Beratungslehrerin schlage ich vor, dass du hingehst. Du musst auf andere Gedanken kommen. «
Ich zuckte mit den Schultern. Kein Interesse.
Harnek öffnete die Tür und wir betraten das Wartezimmer des Rektorats. » Ich möchte später noch einmal mit dir über alles reden « , sagte sie. » Um es zum Abschluss zu bringen. «
Ich nickte.
» Hey. Sieh mal. Du wirst erwartet. «
Mein Kopf schnellte hoch. Derek …? Ach nein. Natürlich nicht.
Auf einem der unbequemen Bürostühle saß Pietr und sah mir entgegen. » Oh. «
» Ich lass euch zwei dann allein « , sagte Harnek. Sie sah mich verdutzt an und ging hinaus, bevor ich das Missverständnis aufklären konnte.
» Was machst du hier? « , fragte ich ein bisschen zu unfreundlich.
» Ich warte auf meinen Busfahrplan. «
» Ach ja. « Ich war von mir selbst überrascht, weil ich tatsächlich ein bisschen enttäuscht war. Aber warum wohl? Der Typ, der mich eigentlich zum Schulball hätte einladen sollen, hatte mich verarscht. Obwohl er sich als mein Retter aufgespielt hatte. Pietr strebte eine solche Position nicht an.
Eine Sekretärin kam zurück zur Auskunftstheke. » Bus Nummer dreizehn « , verkündete sie.
» Das soll wohl ein Witz sein! «
» Was? « , fragte er mit unschuldigem Augenaufschlag.
» Das ist mein Bus. « Mist. In meinem Bus waren höchstens noch ein oder zwei Plätze frei, wenn man noch jemanden hineinstopfte, würde die Fahrt bestimmt nicht angenehmer werden. » Ich muss mich umziehen. «
» Beeil dich– es wird knapp « , riet er mir und zeigte auf sein Handydisplay. » Ich warte auf dich. «
» Tu mir bloß keinen Gefallen « , erwiderte ich und ließ ihn stehen. Ich brauchte ein paar ruhige Minuten vor der Heimfahrt.
Er blieb zurück, ließ den Kopf hängen und sah aus, als hätten ihn meine letzten Worte tief verletzt. Sie taten mir auch gleich leid, aber ich wusste nicht, wie ich es sonst hätte sagen sollen. Die Ereignisse dieses Tages hatten mich völlig durcheinandergebracht.
In der Dusche schlüpfte ich rasch aus meinen blutbefleckten Sportklamotten und zog meine normalen Sachen an. Der heutige Tag war wirklich die Hölle gewesen und heute Abend fingen die ersten Homecoming-Feierlichkeiten an– das Freudenfeuer und das Footballspiel.
Die Hölle. Teil zwei.
Aber ich konnte mich nicht davor drücken. Als Herausgeberin der Schulzeitung musste ich daran teilnehmen. Außerdem, wollte ich nicht Derek beim Football zuschauen, wie er die Junction Jackrabbits zum Sieg führte?
Seufzend machte ich mich vor dem Spiegel daran, meine Haare zu richten. » Aah! « Meine Finger zitterten immer noch von der Schlägerei. Wieso mühte ich mich überhaupt damit ab, Sachen in Ordnung zu bringen, die sich nicht in Ordnung bringen ließen? Meinen mausbraunen Haarschopf beispielsweise, der war wie eine Metapher für mein Leben– immer zur falschen Zeit am falschen Ort und nie die richtigen Mittel zur Hand, um die Probleme in Griff zu bekommen. Aber ich machte weiter. Stur stolperte ich vorwärts.
In der Mädchendusche von Junction High wurde mein Scheitern überdeutlich. Unter den gleißenden Neonröhren. Wenn ich schon leiden musste, dann sollte mein Leiden auch im grässlichsten Licht aller Zeiten erstrahlen. Mist. Es war nicht zu leugnen. Meine Haare waren einfach scheußlich, noch scheußlicher wären sie höchstens, wenn sie Feuer fangen würden. Das Summen der Leuchtstoffröhren an der Decke ließ nicht ausschließen, dass das wirklich passieren konnte.
Natürlich würde ich Derek vor dem Freudenfeuer gar nicht zu Gesicht bekommen– vielleicht erst, wenn das Spiel in vollem Gang war. Nun musste ich nur noch die restlichen Blutspuren von meinen Knöcheln entfernen. » Weg, du verdammter Flecken « , zitierte ich flüsternd Lady Macbeth und drehte den Wasserhahn auf und
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