Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
Vom Netzwerk:
zog am Straßenrand vorüber – und dann passierte ihr das erste Unglück: Die Vespa jaulte laut auf, dann stotterte der Motor und schließlich rollte sie träge dahin, bis sie mit einem letzten, erbärmlichen Knattern stehen blieb. Kein Benzin mehr. Na klasse.
    „Scheiße!“, fluchte Leslie, als sie die Tankanzeige kontrollierte. Das musste ja passieren. Ausgerechnet ihr. Schimpfend stieg sie vom Sitz ab und versuchte, das schwere Ding neben sich herzuschieben. Was zur Hölle sollte sie jetzt nur tun? Weiter laufen? Wahrscheinlich war es am besten, einfach wieder zurückzugehen – auch, wenn das mit Sicherheit stundenlang dauern würde. In der prallen Mittagshitze. Himmel, sie würde sich einen Hitzschlag holen.
    „Verdammt!“, sagte sie laut. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Aber das half nicht. Entweder erhörte Gott ihre Gebete nicht oder er war sehr empfindlich, was Schimpfwörter betraf.
    „Willst du mich jetzt hier verdursten lassen?!“ rief sie zum Himmel hinauf, aber der blieb strahlend blau und wolkenlos wie schon heute Morgen.
    „Gut“, sagte sie patzig. „Gut, dann warte ich eben hier.“ Und sie setzte sich auf die Vespa, baumelte mit den Beinen, schwitzte – und wartete. Auf was eigentlich?
    „Auf nichts“, grummelte sie wütend. „Darauf, dass ich hier verrecke.“ Ihr Handy hatte sie vergessen. Es lag auf dem Nachtschrank.
    „Da liegt es gut“, sagte sie. „Da liegt es wirklich gut, du hohle Nuss!“ In diesem Moment half wirklich nichts, außer sich selbst zu beschimpfen. Es war ja sonst niemand hier.
    Leslie wusste später nicht genau, wie lange sie so da gesessen hatte, als sie die Musik hörte. Vielleicht eine Stunde oder länger. Aus dem schwarzen Cabrio, das sich ihr in hoher Geschwindigkeit näherte, dröhnte laute, italienische Musik, und als es schon fast an ihr vorüber war, vollendete es eine Vollbremsung – und kam dann langsam, rückwärts auf sie zugefahren. Der Fahrer stellte die Musik ab und schob die Sonnenbrille, die er aufgesetzt hatte, in das dichte, wirre, schwarze Haar und starrte sie an.
    Sie starrte zurück.
    Sie kannte das Auto.
    Sie kannte die Sonnenbrille.
    Sie kannte den Fahrer.
    „Leslie?!?“, entfuhr es Raffaello, gleichermaßen entsetzt, wie verwirrt. Mehr sagte er nicht. Er hörte auf, auf seinem Kaugummi herumzukauen, und starrte sie nur fassungslos an.
    Er hatte sich fast nicht verändert, wie sie in der kurzen Zeit feststellte, nur seine Gesichtszüge wirkten irgendwie markanter und erschreckend erwachsen. Er trug ein blütenweißes Hemd und an seinem rechten Handgelenk baumelte noch immer das goldene Armband mit Marios Anhänger.
    „H-hallo“, stotterte Leslie. Raffaello kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder.
    „Wie um alles in der Welt –?! Was machst du hier?!“, rief er aus. Sie zuckte die Achseln.
    „Das verfluchte Ding hat keinen Sprit mehr“, sagte sie. Raffaello beugte sich vor und musterte die Vespa.
    „Ist ja auch kein Wunder“, stellte er dann trocken fest. „Das ist ein einziger Schrotthaufen. Woher hast du die?“
    „Ausgeliehen“, entgegnete Leslie. Noch immer konnte sie ihn bloß nur anstarren und sie fragte sich, wie dämlich das wohl aussah. Schnell senkte sie den Blick, nur, um ihn gleich darauf wieder anzusehen. Das konnte kein Zufall mehr sein. Was hatte sie sich vorgenommen? Nicht mehr an Zufall zu glauben. Gut. Das tat sie ab jetzt nicht mehr. Allmählich schien sich jeglicher Schock von Raffaello zu lösen.
    „Lass sie da stehen, irgendjemand wird sie schon finden“, sagte er lässig. „Wo wolltest du eigentlich hin?“
    „Nach Palermo. Einkaufen.“
    Er lachte. „Auf dem Teil da?“ Er beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür seines Maseratis.
    „Steig ein“, sagte er. „Ich bring dich hin.“ Aber Leslie rührte sich nicht vom Fleck. Waren ihre Beine überhaupt noch da? Sie blickte an sich herunter. Ja, da waren sie. Dürr und knochig in ihren Shorts. Jetzt musste sie sich nur noch daran erinnern, wie man sie wieder bewegte. Sie machte einen Schritt auf das Cabrio zu und schließlich schaffte sie es, sich mit zittrigen Knien neben Raffaello auf den dunklen Sitz fallen zu lassen. Zögernd sah sie zu ihm hinüber. Er starrte sie fassungslos an.
    „Was für ein absolut irrer, unmöglicher, abnormaler –“, dann redete er auf Italienisch weiter.
    „Äh …?“, machte Leslie.
    „… Zufall“, sagte er wieder auf Englisch. Dann lachte er und seine dunklen Augen

Weitere Kostenlose Bücher