Zwischen Olivenhainen (German Edition)
entgegnete sie schulterzuckend.
„Ist die Kette von ihm?“, fragte Antonio, scheinbar total desinteressiert. Sie nickte zögernd.
„So ein angeberischer Schleimer“, sagte er grimmig. Er war immer noch sauer auf ihn.
„Herrgott, Antonio, das ist ein Jahr her – was kümmert er dich noch?“, entgegnete sie aufbrausend. Antonio lachte trocken auf, sagte aber nichts mehr zu dem Thema – und Leslie wurde das Gefühl nicht los, dass er ihr etwas verschwieg. Na, bitte, sein Problem. Sie schaute aus dem Fenster, zählte Autos und langweilte sich fast ein bisschen.
„Magst du schon was essen?“, fragte Antonio irgendwann, doch sie schüttelte den Kopf. Das viele Wasser lag noch immer schwer in ihrem Magen.
„Hör zu …“, sagte er dann. „Ich werde dir vielleicht irgendwann erzählen, warum ich gefeuert wurde, aber ich glaube nicht, dass du es gerne hören willst.“
Sie wandte sich ihm wieder zu. „Warum?“
„Weil … es mit Ruggiero zu tun hat.“ Was um Himmels Willen hatte er getan?!
„Aha. Na und?“, entgegnete sie kühl. Antonio lachte nervös auf.
„Weißt du noch, was ich dir letztes Jahr gesagt habe?“, fragte er. Leslie zuckte mit den Schultern.
„Ja, eine Menge“, sagte sie trocken. „Dass es nicht gut wäre, … sich mit Ruggiero einzulassen.“ Jetzt erinnerte sie sich. Es war ein lächerlicher Versuch gewesen, sie von ihm fernzuhalten. Sie nickte. „Was hat das damit zu tun?“, fragte sie dann. Antonio schien einen Moment zu zögern, ehe er weiter sprach.
„Ich habe dir gesagt, dass ich keinen Ärger bekommen wollte – aber den habe ich jetzt. Mehr als genug und den kann ich nicht gebrauchen. Aber wie gesagt, ich bin selber schuld.“ Leslie verstand nicht ganz, worauf er überhaupt hinaus wollte.
„Könntest du vielleicht Klartext reden?“, entgegnete sie. „Wen oder was meinst du und warum hast du Ärger am Hals?“ Antonio holte tief Luft.
„Es hat mit Ruggiero zu tun“, brachte er schließlich hervor.
„Ja, was denn?“ Er schüttelte den Kopf.
„Mehr kann ich dir leider nicht erzählen, Leslie, tut mir leid, aber sonst – ach, vergiss es.“
„Hey!“, sagte sie. „Wenn du´s mir schon mal erzählst, kannst du auch ruhig die ganze Wahrheit sagen. Sonst hättest du gar nicht erst davon anfangen sollen.“ Plötzlich legte sich ein grimmiger Ausdruck auf Antonios Gesicht.
„Du wärst ohnehin auf Ruggieros Seite“, sagte er. Himmel, er glaubte doch nicht ernsthaft, dass ihr noch immer etwas an Raffaello lag? Wo sie ihn doch überhaupt nicht mehr gesehen hatte!
„Er ist mir schnurzpiepegal“, sagte sie ruhig. „Also, schieß los!“ Doch bevor Antonio etwas sagen konnte, bemerkten sie den roten Lieferwagen, der vor dem Restaurant hielt. Anne stieg aus, einen ziemlich genervten Ausdruck auf dem Gesicht, und Leslie befürchtete, dass sie Antonio gleich ohne Hemmung ihre Meinung geigen würde. Na wunderbar. Aber es wurde nicht ganz so schlimm.
Die Woche verging wie im Flug und am Freitag kam Antonio sie in ihrem Ferienhaus besuchen. Er brachte Pizza mit, die Anne, Leslie und er am Abend unten am Strand in der kleinen Bucht verspeisten, bis ihnen schlecht wurde und sie nur noch zu dritt nebeneinander im Sand lagen und belangloses Zeug redeten. Bald war Anne eingeschlafen, Antonio schnarchte auch irgendwann und Leslie saß hellwach am Strand. Sie hatte nicht ganz so viel Pizza gegessen, wie die beiden anderen, deswegen war ihr nicht so schrecklich schlecht und müde war sie auch nicht, also beschloss sie, ein wenig im Meer zu baden.
20
Eine weitere Woche verging und dann kam der Tag, der all die wunderbare Ferienidylle gründlich durcheinanderbrachte, aber als Leslie am Morgen auf der schwarzen Vespa zum Einkaufen nach Palermo aufbrach, ahnte sie nicht das Geringste von den nahenden Geschehnissen.
„Hast du die Liste dabei?“, fragte Anne und Leslie nickte.
„Jaja“, sagte sie, „Pizza, Pizza, Pizza, Wasser. Schon gut, ich kenne sie auswendig!“ Dann fuhr sie los. Sie war in der vergangenen Woche schon öfters alleine zum Einkaufen gefahren, weil Anne keine Lust auf die verfluchte Hitze hatte, aber es wurde nie langweilig, auch, wenn sie sich ab und zu noch verfuhr.
Der heiße Wind zauste ihr das lange Haar und ihre weite, grüne Bluse flatterte wie eine Fahne. Leslie mochte es, die einsamen Landstraßen entlang zu fahren, außerdem kannte sie den Weg nun langsam auswendig. Ein einsames Gehöft, das ein wenig heruntergekommen aussah,
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