Zwischen Olivenhainen (German Edition)
ich dich nicht geküsst hätte.“
„Oh“, machte sie und spürte, wie sie rot anlief. Sie traute sich nicht, ihm in die Augen zu sehen.
„ Scusi “, sagte er, „ich hätte nicht davon anfangen sollen.“
„Schon okay“, murmelte sie.
„Wirklich? Oder hab’ ich jetzt alles vermasselt?“
„Nein, nein, schon gut“, sagte sie und blickte zu ihm auf, obwohl ihr Gesicht noch immer glühte. Es gab nichts zu vermasseln. Was hätte das sein sollen?
„Freitag um wieviel Uhr?“, fragte sie, um irgendetwas zu sagen, das vom Thema ablenkte. Er überlegte kurz.
„Morgens muss ich noch was erledigen … Was hältst du von zwölf Uhr? Ich hole dich ab – vorausgesetzt, du gibst mir deine Adresse – und dann fahren wir zusammen zu Mario.“ Leslie nickte.
„Klingt gut“, sagte sie, dann kritzelte sie ihm ihre Adresse auf eine Serviette, obwohl sie davon überzeugt war, dass er sie mit Sicherheit irgendwie ausfindig gemacht hätte. Gleichzeitig fragte sie sich, was Anne wohl dazu sagen würde, wenn Raffaello bei ihnen auftauchen würde. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei. Vielleicht konnte sie ihn dazu bringen, sie erst an der Kreuzung zur Landstraße abzuholen? Oder sie würde Anne mit irgendetwas ablenken müssen, denn Geheimnissen kam sie mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf die Spur.
Eine ganze Weile redeten sie kein Wort und ab und zu erlaubte sich Leslie, etwas von seinem Eis zu stibitzen. Ansonsten wich sie seinem Blick aus, der pausenlos auf ihr ruhte. Herrgott, gab es denn nichts Interessanteres anzustarren?! Sie räusperte sich. Er sah sie fragend an.
„Ich kann nicht mehr“, sagte sie dann und legte ihren Löffel auf den Tisch. „Außerdem ist es dein Eis.“
„Ich würde es dir überlassen“, gestand Raffaello mit einem verschmitzten Lächeln, aber Leslie schüttelte den Kopf und so aß er es alleine weiter, bis das Glas leer war.
„Ich gehe kurz bezahlen, bin gleich wieder da“, sagte er dann und erhob sich von seinem Stuhl. Unauffällig beobachtete Leslie ihn, wie er am Tresen stand und einige Worte mit dem dicken Verkäufer wechselte, der sie im vergangenen Jahr als Antonios „Freundin“ bezeichnet hatte. Einige Worte, ja – aber kein Geld. Nicht einmal eine Kreditkarte wurde hin und her gereicht. Was zur Hölle hatte das nun wieder zu bedeuten? Sie betrachtete den Verkäufer genauer. Aus unerklärlichen Gründen wirkte er höchst angespannt, ja sogar unsicher. Wer um Himmels Willen hatte Angst vor einem Kunden? Zudem wäre der dicke Verkäufer Raffaello mit Sicherheit überlegen gewesen. Was also versetzte ihn in diese Nervosität? Leslie kam zu dem Schluss, dass es vielleicht gar nicht an Raffaello lag. Möglicherweise hatte der Ladenbesitzer am Morgen schon einen schlechten Start hingelegt. Kein Grund zur Sorge also, dachte sie, aber die unerbittliche Neugier ließ sich nicht unterdrücken und als sie Raffaello draußen auf der Straße auf das Verhalten des Verkäufers ansprach, sagte er nur:
„Ach, echt? Ist mir gar nicht aufgefallen …“ Und sie hätte schwören können, dass er dabei ein Lächeln unterdrückte. Sie stieg neben ihn in den Maserati, den einige vorbeigehende Leute entzückt, verächtlich oder ungläubig anstarrten, dann startete Raffaello den Motor. Leslie fragte sich, ob ihm die Blicke der Passanten gefielen, wie sie so neidisch sein Auto musterten. Einen Blick auf sein selbstgefälliges Grinsen und sie hatte die Antwort. Angeber. Aber ein netter, fügte sie noch schnell in Gedanken hinzu.
„Du hast gar nicht bezahlt“, sagte sie irgendwann, als sie auf der kurvenreichen Straße entlang sausten.
„Klar habe ich bezahlt. Ich bin kein Dieb!“, entgegnete Raffaello entrüstet.
„Nein, hast du nicht“, widersprach sie. „Ich hab’s doch mit eigenen Augen gesehen!“ Sie bemerkte, wie sich seine Hände fester um das Lenkrad schlossen.
„Hast du?“, fragte er.
„Ja.“
Er seufzte.
„Der Typ ist ein alter Bekannter“, sagte er. „Er hat mir das Eis geschenkt. Ich wollte bezahlen, ehrlich.“ Wenn er ein so guter Bekannter war, warum war ihm dann nicht aufgefallen, wie nervös der Mann gewesen war? Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er sie anlog.
„Aha“, machte sie, um ihn in dem Glauben zu lassen, sie kaufe ihm das ab. „Na dann …“
Nach einigen Minuten des Schweigens entspannten sich auch seine Hände wieder. Dafür setzte er seine Sonnenbrille auf und Leslie beschloss, es ihm gleich zu tun. Sie kramte ihre eigene aus
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