Zwischen Olivenhainen (German Edition)
nickte und machte sich daran, noch immer etwas verschlafen, aus dem Auto zu klettern. Vor der Haustür blieb sie stehen.
„Scheiße“, sagte sie.
„Was ist?“, fragte Raffaello hinter ihr.
„Ich hab’ den Schlüssel vergessen. Er liegt drinnen auf dem Tisch.“
„Hm“, machte er nur und dann fing er an, in seiner Hosentasche herumzukramen. Sie hörte Schlüssel klimpern, dann zog er etwas Kleines hervor und hielt es triumphierend in die Höhe. Eine Büroklammer.
„Wo hast du die her?“ Sie lachte erleichtert auf. Raffaello zuckte mit den Schultern.
„Man weiß nie, wann man so was mal braucht“, erwiderte er und es klang ernster, als es Leslie lieb war. Er machte sich am Türschloss zu schaffen und nach einem kaum hörbaren ‚Klick‘ sprang die Tür auf.
„Cool“, flüsterte Leslie. „Das funktioniert ja echt!“
„Was dachtest du denn?“, fragte er amüsiert.
Leslie trat in den Flur. Und drehte sich zögernd zu ihm um. Da war plötzlich diese peinliche Stille. Er sagte nichts. Und Leslie fiel beim besten Willen nichts ein, das sie hätte sagen können.
„Danke für den Tag heute“, murmelte sie dann einfach. Aber er machte ein finsteres Gesicht.
„Du hast dich bei Mario bedankt, das ist o. k.“, entgegnete er. „Aber ich habe mich nicht wirklich wie ein Gastgeber verhalten.“ Doch, dachte sie, wenn man von den einen oder anderen Ereignissen absieht.
„Trotzdem“, nuschelte sie und biss verkrampft auf ihrer Unterlippe herum – bis seine Finger ihre Lippen berührten. Sie erstarrte.
„Lass das“, sagte er leise, „sonst blutet es noch.“ Sie hörte auf. Er nahm seine Hand weg. Sie atmete tief durch. Einen schrecklichen Moment lang hatte sie an ihren Kuss vor einem Jahr gedacht. Verflucht, was ging in ihr vor? Sie war müde, weiter nichts. Nur müde. Das trübt die Sinne, dachte sie.
„Also … bis dann. Wir sehen uns“, sagte Raffaello leise, dann drehte er sich um und stieg wieder in sein Auto. Sie blickte ihm nach, bis die roten Rücklichter in der Dunkelheit verschwunden waren und auch danach blieb sie noch einige Minuten im Türrahmen stehen und starrte hinaus in die Nacht.
„Leslie?“ Sie fuhr herum. Anne stand hinter ihr. Im kurzen Nachthemd, die Augen gerötet vom Schlaf, das blonde Haar zerzaust.
„Hi“, sagte Leslie schnell, „tut mir echt leid, dass es so spät geworden ist. Ich weiß, ich hätte dich anrufen sollen.“
„Schon okay“, murmelte Anne. „Ich hab’ mir einen schönen Tag in Palermo gemacht. Hab’ dich nur ein bisschen vermisst.“ Allmählich wirkte sie hellwach.
„Wie bist du da hingekommen?“, fragte Leslie. Immerhin stand die Vespa vermutlich noch irgendwo am Straßenrand. Anne grinste.
„Berechtigte Frage“, sagte sie. „Ich habe ja schließlich keinen Chauffeur, wie du“, sie zwinkerte ihr zu. „Aber es war ganz leicht: Ich hab’ Antonio angerufen, ein bisschen rumgeschleimt – und schwupps, kam er mich abholen! Hab’ sogar ’ne Pizza gekriegt.“ Ich auch, dachte Leslie, aber sie verzichtete darauf, Anne davon zu erzählen. Sie ging voraus ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Anne kam mit und setzte sich auf den Rand der Badewanne.
„Weißt du, wen wir getroffen haben?“, fragte sie mit blitzenden Augen. „Errätst du nie!“ Sie grinste. Aber Leslie hatte keine Lust zu raten. Ehrlich gesagt hatte sie nicht einmal Lust, Annes Geschichte zu hören. Sie war todmüde und außerdem war da noch dieses seltsam vertraute Kribbeln in ihrem Magen, wenn sie an Raffaello dachte. Verdammt.
„Gosetti höchstpersönlich“, sagte Anne.
„Gosetti?!“, nuschelte Leslie mit der Zahnbürste im Mund verblüfft. Anne lachte.
„Hm“, machte sie, „er war mehr als überrascht, mich hier anzutreffen – und erst, als ich ihm erzählt habe, wen du datest!“ Sie grinste. Wen ich date, dachte Leslie sarkastisch, daten – von wegen. Sie spülte den Mund mit Wasser aus.
„Ich date ihn nicht“, sagte sie trotzig. „Wer hat dir überhaupt erlaubt, Gosetti davon zu erzählen?“ Anne seufzte ergeben.
„Ja, entschuldige, das hätte ich vielleicht nicht tun sollen – aber es ist mir vor lauter Überraschung rausgerutscht. Ich hatte total vergessen, dass Gosetti hierher gezogen ist.“ Sie klimperte mit den Wimpern. „Verzeihst du mir?“
„Pfft“, machte Leslie und warf ihrer Freundin einen bitterbösen Blick zu, dann zog sie sich um und eilte ins Schlafzimmer.
„Wie war dein Tag mit Romeo?“, fragte Anne
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