Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Lorenzo!“
„Hm …“, machte er grimmig, „das war nicht abgesprochen. Ich werde nachher mit ihm sprechen.“ Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Hast du vielleicht Hunger?“, fragte er. „Unter Deck gibt es Spaghetti und Obst und –“.
„Hast du sie noch alle?!“, rief sie und trat einen Schritt von ihm zurück. „Machst auf heile Welt! Du hast mich entführen lassen, ist dir das klar?! Wer sagt, dass ich hier sein will?! “ Er verzog das Gesicht.
„Ob du willst oder nicht, spielt keine Rolle, Leslie“, sagte er dann.
„Ach ja?“
„Ich werde dir nachher alles erklären, einverstanden?“
„Nein. Jetzt!“
„Nachher.“
„Jetzt!“ Trotzig blickte sie zu ihm auf.
„Nachher“, sagte er ruhig, dann schnitt er ihr das Wort mit einem Kuss ab. Sie stieß ihn von sich weg.
„Vergiss es!“, schnauzte sie. „Vergiss es, vergiss es, vergiss es!“ Raffaello zuckte die Schultern. Aber er lächelte. Und deutete auf eine von zwei Sonnenliegen, die an Deck standen.
„Setz dich“, sagte er.
„Ich denke gar nicht dran“, erwiderte sie, aber nachdem sie eine Weile in der prallen Sonne gestanden hatte, ließ sie sich zögernd auf einer der Liegen nieder. Raffaello stand von seiner auf und setzte sich neben sie. Sie rückte ein Stück von ihm ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Das Schiff fuhr los.
Er schwieg. Leslie schwieg. Sie würde keinen Ton mehr sagen, bis er ihr erklärte, was es für einen Sinn hatte sie zu entführen. Basta. Kein Wort mehr. Sie presste die Lippen aufeinander.
„Hast du Durst?“, fragte er sie nach einer ganzen Weile erschrocken, scheinbar, weil ihm endlich aufgefallen war, dass sie seit mindestens einer Stunde in der gleißenden Sonne saßen und es zudem noch über dreißig Grad waren. Leslie zögerte, dann nickte sie.
„ Va bene “, sagte er und stand auf. „Ich hole uns was zu trinken. Was willst du? Wasser?“
Sie nickte.
„Okay.“ Dann verschwand er unter Deck. Er war weg. Sie war ganz alleine – abgesehen von den unsichtbaren Leibwächtern, die er mit Sicherheit zu ihr hochgeschickt hatte, um sie zu überwachen. Lorenzo oder Roberto. Oder beide.
Leslie schaute über die Schulter. Dann stand sie vorsichtig in geduckter Haltung auf und ging zur Reling. Das Geländer war nicht sehr hoch – es würde eine Leichtigkeit für sie sein, darüber zu klettern. Hastig zog sie ihre Sandalen aus, ihr Kleid behielt sie an, auch wenn es nicht sonderlich gut zum Schwimmen geeignet war. Dann schwang sie ein Bein über das Geländer, hielt sich mit beiden Händen fest, blickte noch einmal über die Schulter und zog dann das andere Bein nach. Ihr wurde ein wenig schwindelig, als sie in die Tiefe blickte. Das Wasser war kristallklar und tiefblau.
„Du bist in der Schule vom Fünfmeterbrett gesprungen“, murmelte sie mit zittriger Stimme, „da wirst du das hier ja wohl noch mit Leichtigkeit schaffen.“
Vorsichtig löste sie eine Hand vom Geländer und ging ein wenig in die Hocke. Schaute hinab auf die Schaumkronen, die vom Bug entgegen der Fahrtrichtung her spritzten. In Hollywoodfilmen funktioniert es nie, dachte sie panisch, da werden die Geiseln immer gleich wieder aus dem Wasser gefischt. Oder hemmungslos erschossen. Sie stellte sich vor, wie sich das Wasser rot färbte und schluckte. War es das wert? Sie schüttelte den Kopf, um die beunruhigenden Gedanken loszuwerden. Es half nicht ganz.
Dann holte sie tief Luft, so tief, dass sie dachte, ihre Lunge müsste platzen – und stieß sich mit aller Kraft von der Reling der ‚Leslie‘ ab. Der Aufprall auf dem Wasser war hart. Ein stechender Schmerz zuckte durch ihre Rippen, sie wurde von den Wellen hin und her gewirbelt, bevor sie sich an die Oberfläche kämpfen konnte, um endlich wieder atmen zu können. Gierig sog sie die klare Meeresluft ein. Dann drehte sie der Jacht den Rücken zu und schwamm. So schnell sie konnte. Vielleicht schaffte sie es noch, rechtzeitig außer Reichweite der Pistolenkugeln zu kommen. Es würde unter Garantie nicht lange dauern, bis Raffaello ihre Abwesenheit bemerkte, aber bis dahin befand sie sich hoffentlich schon längst an Bord irgendeines Fischerbootes – von dem allerdings weit und breit keine Spur zu sehen war. Verdammter Mist. Leslie beeilte sich. Das Wasser schlug ihr hart ins Gesicht, sie hustete es wieder aus – und dann hörte sie Raffaellos Schrei.
„ MERDA !“, brüllte er, und dann: „Leslie!!“
Sie hielt kurz inne, aber
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