Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
Vom Netzwerk:
er gelassen.
    „Das ist viel zu … langweilig“, murmelte Leslie vorsichtig.
    „Ich denke schon. Auf die Dauer …“, entgegnete er, dann wandte er sich ihr endlich zu. Widerwillig löste Leslie ihren Blick von seinem Spiegelbild und blickte ihm in die echten dunkelbraunen Augen, die ihr Herz auf eine irritierende Weise für Sekunden schneller schlagen ließen. Sie versuchte, es nicht zu beachten.
    „Wenn dir nichts einfällt, was wir unternehmen können“, sagte er, „dann lass uns doch einfach durch die Straßen hier gehen und reden.“ Er ging voraus, den Gehweg entlang und Leslie folgte ihm nach kurzem Zögern. Die alten Häuser, von denen der Putz bröckelte,standen dicht an dicht, Wäscheleinen spannten sich über den Dächern, hier und da saß eine alte Frau im Eingang und beobachtete das bunte Treiben auf den Straßen. Autos parkten kreuz und quer am Straßenrand oder sogar auf dem Gehweg. Vespas knatterten vorbei, die Straßen quollen über vor Lärm.
    „Wie alt bist du eigentlich?“, fragte Leslie Raffaello dann, nachdem sie ihn von der Seite gemustert hatte.
    „Ich werde am Freitag achtzehn“, sagte er. „Und du?“ Er sah älter aus als siebzehn.
    „Sechzehn“, sagte Leslie. „Aber in einer Woche habe ich Geburtstag.“
    Er lächelte. „Dann können wir ja fast zusammen feiern“, sagte er. Leslie war sich nicht sicher, ob er das ernst gemeint hatte. Deswegen antwortete sie lieber nicht darauf. Sie schwiegen eine Weile. Redepausen fand Leslie manchmal äußerst unangenehm. So wie gerade jetzt.
    „Warum trägst du bei dieser Hitze eigentlich einen Anzug?“, fragte sie ihn schließlich. Vielleicht gehörte das zu seinem Macho-Image, aber das glaubte sie nicht.
    „Ja, das frage ich mich auch. Jetzt, wo du’s sagst …“, sagte er, zog seine Jacke aus und hängte sie sich über die Schulter. Er trug ein blitzweißes Hemd darunter.
    „Glaub mir, ich würde auch lieber in einer Badehose rumlaufen.“ Er grinste. Leslie verzichtete darauf, sich ihn in Badehose vorzustellen.
    „Ich war heute Morgen auf einer wichtigen Besprechung“, erklärte er dann, „deswegen der Anzug.“
    „Du?“ Entgegnete sie ungläubig. „Aber … gehst du nicht noch in die Schule?“ Er lachte trocken auf, antwortete aber nicht darauf.
    „Was für eine Besprechung?“, fragte Leslie.
    „Betrifft meinen Vater.“
    „Aha.“ Sie fand es ungewöhnlich, dass er scheinbar nicht über sich selbst und seine Familie sprechen wollte. Wie einsilbig er geworden war, nachdem sie auf dieses Thema zu sprechen gekommen waren. Erneut schwiegen sie und Leslie hatte das Gefühl, dass er gerade angestrengt darüber nachdachte, wie er das Gespräch in eine andere Richtung lenken konnte. Sie fragte sich bloß, warum.
    „Bist du schon mal auf einem Schiff gefahren?“, fragte er sie dann.
    Sie nickte. „Klar! Mein Großvater nimmt mich in Schottland fast jeden Tag auf seinem Fischkutter mit, wenn er fischen geht“, erklärte sie stolz.
    Ach, der gute alte Grandpa Mac. Irgendwie vermisste sie ihn. Es machte immer so viel Spaß, wenn sie zusammen hinaus auf das raue, von den Wellen grau gefärbte Meer hinausfuhren, ob bei stürmendem Regen oder Sonnenschein, aber meistens war es recht kalt, was Leslie nie gestört hatte, denn sie mochte diese Kälte und das raue Klima des Atlantiks in Oban. Es ist das genaue Gegenteil zu allem hier auf Sizilien, dachte sie auf einmal.
    Raffaello lachte amüsiert auf und blieb stehen, im Schatten einer hohen Palme, die am Straßenrand wuchs.
    „Nein“, sagte er, „ich meinte, ob du schon mal mit einem richtigen Schiff unterwegs warst? Du weißt schon, groß und weiß!“ Leslie musterte ihn ärgerlich.
    „Grandpas Kutter ist ein richtiges Schiff“, sagte sie bissig.
    „Jaja, mag sein“.
    „Es ist so!“ Liebe Güte, was für ein Angeber.
    „ Va bene , beruhige dich, Leslie“, sagte er leise und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Nach einigen Sekunden der Starre schüttelte Leslie sie ab.
    „Wenn du willst“, sagte er und ein seltsames Blitzen trat in seine dunklen Augen, „hole ich dich morgen früh vom Hotel ab und zeige dir mein … Boot.“ Er musterte sie erwartungsvoll. „Wir könnten eine Spritztour machen?“, schlug er vor.
    Leslie zögerte. Eine Spritztour. Mit jemandem, den sie überhaupt nicht kannte. Auf was wollte er hinaus? Würde er über sie herfallen oder so? Andererseits hatte sie ihn schon dreimal getroffen, den Koffertausch mit eingeschlossen, und er

Weitere Kostenlose Bücher