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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder, den dicken Aktenkoffer hatte er nicht mehr bei sich. Vielleicht hatte er ihn irgendeinem Kollegen gegeben.
    Kurz bevor der Wagen anfuhr, sah Leslie Raffaello im Schatten des Schuhgeschäftes, vor dem sie sich getroffen hatten, stehen, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Die Schatten des herannahenden Abends tauchten sein Gesicht in Dunkelheit und trotzdem trug er seine Sonnenbrille. Fast verkrampft schien er ihnen nachzusehen, als der Wagen lautlos an ihm vorbeiglitt und Leslie fiel ein, dass er durch die getönten Scheiben wahrscheinlich gar nichts erkannt haben konnte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er die ganze Zeit über schon dagestanden hatte und sie beobachtet hatte. Gruselig. Aber was sollte ihm das nutzen?
    Vorsichtig warf sie Mr. Gosetti einen Blick zu, doch der war zu sehr damit beschäftigt, einem seiner Kollegen Anweisungen auf Italienisch am Handy zu geben, um Notiz von dem jungen Mann zu nehmen, der ihnen nachblickte. Geschweige denn von Leslies unruhigem Blick.
    Melissa war schon fast eingeschlafen, als sie ihr Hotel erreichten und auch Anne gähnte ununterbrochen. Leslie aber war hellwach. Sie folgte Anne, Melissa und Mr. Gosetti wie in Trance, völlig in Gedanken versunken, und als sie in ihrem Zimmer die Tür hinter sich zuzog, musste sie zum ersten Mal seit ihrem Gespräch mit Mr. Gosetti daran denken, dass sie morgen ein Date hatte. Moment, konnte sie es so nennen? Raffaello hatte sie ja schließlich ‚nur‘ zu einer Bootstour eingeladen.
    Und wenn schon, dachte sie und auf einmal spürte sie, wie sehr sie sich auf den morgigen Tag freute. Blieb nur noch die Frage, was sie Anne und Melissa erzählen sollte. Vielleicht würde sie still und heimlich verschwinden können …
    „Leslie“, flüsterte Anne irgendwann, als sie längst im Bett lagen. Es war stockdunkel geworden und im Zimmer nebenan hörte sie Melissa leise schnarchen.
    „Ja?“, raunte sie in die Dunkelheit zurück. Die Decke neben ihr raschelte. Anne hatte sich umgedreht.
    „Ich hab’ den Typen gesehen, mit dem du gesprochen hast“, flüsterte sie, „vor dem Schuhgeschäft. Es war derselbe, der am Tisch neben uns gesessen hat. Im Pizzaexpress.“
    Was sollte sie darauf antworten? Plötzlich war Leslie froh, dass es so dunkel im Zimmer war, aber sie konnte spüren, wie sehr sich Anne anstrengte, sie erkennen zu können.
    „Es war derselbe, der dich am Montagabend beobachtet hat, oder?“ Aber Leslie schwieg. Sie wollte nicht über Raffaello reden, es war schon schlimm genug, dass Anne ihn erkannt hatte.
    „Er sieht ziemlich gut aus“, raunte Anne. „Ist er denn auch nett zu dir? Oder ist er eher der gruselige Stalkertyp?“ Plötzlich bemerkte Leslie, wie es ihr einen Stich versetzte. Ja, er sieht gut aus, dachte sie, na und?
    „Wir haben nur geredet“, sagte sie leise und drehte Anne den Rücken zu. Bitte, dachte sie, hör endlich auf, über ihn zu reden.
    „Weißt du denn jetzt, warum er dich beobachtet hat?“, fragte Anne. Sie war zu aufgeregt, um noch daran zu denken, dass Melissa nebenan schlief und Leslie partout nicht wollte, dass sie auch nur den kleinsten Fetzen ihres Gesprächs mitbekam.
    „Nein“, flüsterte sie, „Anne, halt die Klappe, du weckst Meli noch!“ Und Anne schwieg tatsächlich eine Weile. Leslie lag da, die Bettdecke bis zur Nasenspitze hochgezogen, obwohl ihr viel zu warm war, und starrte in die Dunkelheit.
    „Ich finde ihn immer noch unheimlich“, raunte Anne irgendwann. „Er wirkte so … wichtig wie ein Erwachsener.“
    Sie wartete ab, ob Leslie etwas dazu sagen wollte, aber das tat sie nicht.
    „Oder?“, hakte sie nach.
    Nein, dachte Leslie, er ist keineswegs unheimlich, aber als sie an den Ausdruck auf seinem Gesicht dachte, als er sich so hastig von ihr verabschiedet hatte, dachte sie, dass er vielleicht unheimlich werden konnte . Aber sie antwortete Anne nicht auf ihre Fragen.
    „Weißt du, wie Mr. Gosetti mit Vornamen heißt?“, fragte sie stattdessen. Eine kurze Weile schwieg Anne verblüfft.
    „Matteo“, sagte sie dann. „Wieso?“
    Leslie zuckte die Achseln und merkte, dass Anne das ja gar nicht sehen konnte.
    „Nur so“, murmelte sie leise. Raffaello hatte sie gestern nach Gosettis Namen gefragt und morgen früh würde sie ihm antworten können. Was auch immer Raffaello mit Gosetti und Gosetti mit Raffaello zu tun haben mochte.
    Die Dunkelheit senkte sich auf sie herab und der Schlaf übermannte

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