Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deb Marlowe
Vom Netzwerk:
wollen.
    „Ich bin so froh, dass es dir gefällt.“ Sie drehte sich zu ihm. „Jetzt sollte ich mich zum Dinner umziehen, und ich muss erst noch mit deiner Mutter sprechen. Wir essen hier gewöhnlich früh zu Abend. Ich hoffe, das ist dir genehm?“
    Er nickte und sie verließ den Raum.
    Sophie saß vor ihrem Spiegel, während Nell den Gipsstaub aus ihrem Haar bürstete und der Frisur wenigstens einen Anschein von Schicklichkeit verpasste. Ich sollte dringend ein Bad nehmen, dachte Sophie. Aber die Zeit fehlte ihr, denn sie hatte mit Lady Dayle sprechen müssen. Lord Avery und seine Gattin brauchten Hilfe. Es war nur ein kleiner Schubs in die richtige Richtung nötig gewesen. Glücklicherweise hatte Lady Dayle zugestimmt; mit ihrer Unterstützung würde es viel leichter werden.
    Ihr Plan war riskant, aber er würde ihr auch eine endgültige Antwort auf ihre Zweifel bezüglich Charles’ Charakter liefern. Würde er beweisen, dass er ihr Charles war oder Miss Ashfords? Es war Zeit, dass er eine Entscheidung traf.
    Ihr Charles. Wie schön das klang. Sie hatte geglaubt, sie sei auf seine Ankunft vorbereitet, gewappnet mit Logik, Entschlossenheit und einer gesunden Dosis Angst davor, wie leicht es ihm gefallen war, sie zu verletzen. Ihre Absicht war es gewesen, nach und nach das Band zwischen ihnen zu lösen. Als er ihr jedoch statt zornig und gereizt voller Bedauern und aufrichtig gegenübertrat, war ihr das sehr schwergefallen. Trotzdem war sie fest geblieben. Bis sie von Lord und Lady Avery gehört hatte. Schon immer hatte sie mit dem Ehepaar gefühlt. Sie hätte den beiden so oder so geholfen. Die Liebe über Zorn, Schmerz und Verrat triumphieren zu sehen war für sich genommen schon ein hehres Ziel. Aber jetzt trieb noch etwas anderes sie an.
    Die Situationen waren nicht völlig gleich, aber doch ähnlich genug. Wenn Charles sah, dass Lord Avery einen solchen Skandal überstand, ohne dass seine gesellschaftliche Akzeptanz und sein politischer Einfluss Schaden nahmen …
    „Würden Sie mir den Kamm reichen, Miss?“ Nell unterbrach Sophies Überlegungen.
    „Danke schön. Fast fertig.“ Als die Zofe weitersprach, klang sie zögerlich. „Ich dachte, Sie wollen vielleicht wissen, dass die Diener hier ein ganzes Stück freigebiger mit Klatsch und Tratsch sind als die Londoner Dienerschaft des Viscounts.“
    „Das klingt, als hättest du etwas Interessantes erfahren.“
    „Es gibt Gerede über den Tod des vormaligen Lord Dayle. Einer der Diener hier erzählt, der alte Lord Dayle war damals stinkwütend auf Seine Lordschaft.“
    „Das ist nichts Neues. Sie haben sich nie verstanden. Der alte Herr war mindestens Charles’ halbes Leben lang zornig auf seinen Sohn.“
    „Nicht nur zornig, sagt John, sondern fuchsteufelswild“, beharrte Nell. „Wollte nicht mit Seiner Lordschaft reden, nachdem die schlimmen Nachrichten von seinem Bruder kamen, wollte nicht mehr mit ihm in einem Raum sein. Nicht mal zur Beerdigung.“
    „Das klingt unverhältnismäßig. Und schmerzlich.“ Sophie seufzte. „Armer Charles. Was wohl zwischen den beiden vorgefallen ist?“ Das würde auch einiges erklären. Wenn Charles’ Vater gestorben war, bevor sie ihren Streit beigelegt hatten, war es kein Wunder, dass er bei diesem Thema so empfindlich reagierte.
    „Das hat beim Personal zu ganz schön unverschämtem Gerede über Seine Lordschaft geführt, Miss.“
    Sophie sah sie scharf an. „Ich hoffe, du hast das richtiggestellt?“
    „Da können Sie sich drauf verlassen, Miss“, sagte das Mädchen mit einiger Befriedigung. „Das werden die jetzt schön bleiben lassen.“
    „Danke, Nell. Ich bin sicher, auch Seine Lordschaft würde dir für deine Loyalität danken.“
    „Ich tu meine Pflicht.“
    Sophie wandte sich um und ergriff die Hand der Zofe. „Du tust so viel mehr, und ich hoffe, dir ist klar, wie sehr ich das zu schätzen weiß.“
    „Da ist noch etwas. Lord Dayles älterer Bruder …“
    Sophie sah Nell erwartungsvoll an.
    „Man munkelt, er ist gar nicht bei Waterloo gefallen, sondern schon vor der Schlacht, durch eine fehlgeleitete Kugel eines Kameraden.“
    „Was für ein sinnloser Tod“, murmelte Sophie und war fassungslos.

14. KAPITEL
        
    Am nächsten Tag hallte die Tragödie um Phillips Tod noch immer in Sophies Kopf wider, während sie zum wiederholten Male die Blumen neu anordnete und versuchte, ihre Nerven zu beruhigen. Die Gäste würden bald eintreffen, aber das war nur eine ihrer Sorgen. So viele

Weitere Kostenlose Bücher