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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deb Marlowe
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sprühenden Lebenskraft verbarg – es übersehen hatte. Er war so damit beschäftigt gewesen, seine eigene Fassade aufrechtzuerhalten, dass er die ihre vergessen hatte. Erst da erkannte er das Ausmaß dessen, was er angerichtet hatte. Daraufhin hatte er die Sitzung verlassen und direkt die nächste Kaschemme angesteuert, wo er die Qual, die er in seiner Selbstsucht verursacht hatte, mit einem Strom billigen Gins herunterspülte.
    Nachdem Jack und Crocker ihn da herausgeholt hatten, hatte er versucht, sein Leben normal weiterzuführen. Nur um festzustellen, dass es ihm nicht gelang. Politik, Miss Ashfords Erwartungen, sogar der Gedanke an den nicht zu fassenden Mr. Fink – nichts konnte sein Interesse fesseln. Wie betäubt war er durch die nächsten paar Tage gewankt. Er wusste nicht mehr, wer er war. Nicht der verwegene, sorglose Charles Alden und auch nicht mehr Viscount Dayle, der aufstrebende Politiker. Doch wer war er dann? Es war ihm egal.
    Sein einziger Gedanke war, dass er Sophie treffen musste. Er brannte mit einer schmerzhaften Verzweiflung, die alles andere auslöschte, darauf, sie zu sehen. Er musste wissen, was sie aus dem Elend, das er angerichtet hatte, noch retten konnten. Er musste ihr sagen, dass ihm jetzt klar war, wie unglaublich dumm er gewesen war. Er musste es wiedergutmachen. An diesen Plan klammerte er sich wie an einen Rettungsring. Bei seinem Bruder und seinem Vater hatte es keine Gelegenheit gegeben, sich zu entschuldigen, aber bei Sophie hatte er die Chance, alles wieder in Ordnung zu bringen. Und die würde er nicht verpassen.
    Nun stand er da, auf der Schwelle seines neu hergerichteten Hauses und an einem Wendepunkt in seinem Leben. Er atmete tief durch und trat ein.
    Die sonnendurchflutete Eingangshalle wirkte mit ihrem glänzend polierten Holz und frisch gestrichenen Stuck warm und einladend. Es duftete angenehm nach Bienenwachs und Gebäck und schwach nach frischer Farbe.
    An der offenen Tür zum Salon blieb er stehen und sah Sophie und seine Mutter über eine Transportkiste gebeugt. Strohhalme lagen herum, und als seine Mama sich aufrichtete, sah er, dass auch welche in ihrem Haar steckten. Übermut und Fröhlichkeit ließen ihr Gesicht leuchten. Ihm wurde klar, dass seine Mutter glücklich war.
    Sophie streckte sich und lachte. Ihre Wange war schmutzig, und ihr altes, verwaschenes Kleid zierte ein großer Farbfleck. Ihre dunklen Locken hatten sich aus der Frisur gelöst. Sie war wunderschön. Charles stand da und nahm das Strahlen ihres Lächelns, die Musik ihres Lachens in sich auf und wusste mit plötzlicher Klarheit, was für ein kolossaler Idiot er war.
    Sophie brachte Licht in eine dunkle, gleichgültige Welt. Sie hatte so viel ertragen und war nie daran zerbrochen. Sie hätte bitter und verschlossen werden können; stattdessen gab sie mit jedem Wort, jedem Lächeln ein Stück von sich selbst. Sie versteckte sich nicht hinter Oberflächlichkeiten, sie unterdrückte ihr Talent nicht, weil es nicht den Konventionen entsprach. Nein, sie legte ihr wahres Selbst vor jedem offen und riskierte Tadel und Verachtung, um andere glücklich zu machen.
    Andere wie seine Mutter, die die schlimmste Härte dieser Welt hatte erleiden müssen. Wie Emily, die von derselben Art Kummer bedroht gewesen, ihm aber entgangen war. Wie sie auch mich hätte glücklich machen können, dachte er traurig, wäre ich nur klug genug gewesen, zu erkennen, was für ein Engel sie ist. Doch das verdiente er nicht. Er hatte sie beleidigt, sie belehrt, sie verletzt. Sie war offenherzig und großzügig, während er seine Geheimnisse nie mit ihr teilen konnte. Er verdiente sie nicht, doch er wollte sie mit einer Verzweiflung, die fast körperlich spürbar war.
    „Charles!“ Seine Mutter hatte ihn bemerkt. „Du bist hier!“
    Er versuchte, seine Not und Verwirrung zu verbergen. „Ich dachte, ich sollte da sein, wenn die Gäste morgen eintreffen.“
    Sophie stand stumm da. Seine Mutter schloss den Deckel der Kiste. „Ich bin so froh, dass du gekommen bist, Lieber. Nun muss ich aber wegen des Essens morgen mit Mrs. Hepple sprechen, also überlasse ich es Sophie, dich herumzuführen.“ Auf dem Weg nach draußen gab sie ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange.
    Vorsichtig trat er in den Raum; ihm schwirrte der Kopf vor reuevollen Gedanken. Sie senkte den Blick, als er näher kam. Er blieb stehen. „Sophie.“
    „Ich habe dich erst morgen erwartet“, war alles, was sie sagte.
    „Ich wollte dich sehen. Ich

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