Zwischen Pflicht und Sehnsucht
Hände auf die Schultern und sah ihr forschend ins Gesicht. Leise schnalzte sie mit der Zunge. Nach einem Blick in die leere Eingangshalle hob sie die Schultern, ließ sich auf der obersten Stufe nieder und klopfte einladend auf den Platz neben sich. „Kommen Sie, setzen Sie sich, ich werde Ihre Nerven beruhigen.“
Sie war so warm und mütterlich, dass Sophie nicht widerstehen konnte und sich hinsetzte. „Ich kann nicht bleiben, Mrs. Hepple braucht mich im Salon, und was würde sie sagen, wenn sie herauskäme und Sie so sähe?“
„Pah! Wenn sie Ihr Gesicht sähe, würde sie loslaufen, um Ihnen eine Tasse Tee zu bringen, und sich dann wahrscheinlich zu uns setzen.“
Sophie lachte.
„So ist es besser. Also, was betrübt Sie so?“
Sie seufzte. Die Wahrheit zu sagen kam nicht in Frage. Aber ihre Probleme mit Charles waren ohnehin nur ein Teil davon. „Ich weiß nicht. Hatten Sie schon einmal das Gefühl, in einem kurzen Abschnitt Ihres Lebens angekommen zu sein, der den ganzen Rest davon beeinflussen wird?“
Lady Dayle lächelte. „Ich verstehe dieses Gefühl. Es ist wundervoll und erschreckend zugleich, nicht wahr?“
Sophie konnte nur nicken. Zu ihrem Verdruss fühlte sie wieder Tränen in sich aufsteigen.
Die Viscountess nahm ihre Hand. „Lassen Sie mich Ihnen sagen, was ich am meisten an Ihnen bewundere.“ Sie strich Sophie eine widerspenstige Locke aus der Stirn. „Sie haben in Ihrem Leben schon sehr viel mitgemacht. Ich weiß, wir alle sind bereits auf Hürden und Hindernisse gestoßen. Manchmal scheinen sie so groß, dass sie die Sonne verdunkeln und einem jede Möglichkeit verwehren, jemals wieder glücklich zu sein.“ Sie legte die Hand unter Sophies Kinn und lächelte sie an. „Aber Sie lassen sich von einem Hindernis niemals aufhalten. Oh, ich habe gehört, wie Sie auf schockierend undamenhafte Weise fluchen, wenn eines auftaucht. Und manchmal hat man das Gefühl, Sie rennen ständig nur mit dem Kopf dagegen, aber Sie sind stark. Jedes Mal stehen Sie wieder auf und finden einen Weg, es zu überwinden.“
„Oder zu durchbrechen“, sagte Sophie leise.
Die Viscountess nickte. „Ich habe Sie nie aufgeben sehen, Sophie Westby, und das ist selten in dieser Welt.“
Lady Dayle legte den Arm um sie. Sophie lehnte sich dankbar an. „Das Positive daran ist“, fuhr die Viscountess fort, „dass man, wenn man es einmal darüber hinweg geschafft hat, immer etwas Gutes auf der anderen Seite findet.“
„Etwas wie Sie.“ Eine einzelne Träne rollte über Sophies Wange.
„Nein, Sie sind es gewesen, die wie ein Segen für mich war, liebes Kind. Und ich verspreche, selbst wenn wir in den nächsten Tagen auf einige Hindernisse stoßen, werden darauf bessere Dinge folgen.“
Sie blieben so sitzen, die Arme umeinandergelegt und sich gegenseitig Kraft gebend, bis das Räderrollrn von Kutschen draußen die ersten Gäste ankündigte.
Arm in Arm gingen sie hinunter, um sie zu begrüßen.
15. KAPITEL
Der Nachmittag war über das Begrüßen der Gäste und zahllose Rundgänge durch das renovierte Haus vergangen. Charles hatte kaum Zeit gehabt, über Sophie nachzudenken. Nun fand er sich jedoch am Kopf der Tafel wieder, umgeben von einer fröhlichen, ausgelassenen Gruppe, mit genug Geburtstagsgeschenken, um darin zu baden, und mit viel Zeit zum Nachdenken.
Ein Gedanke tauchte immer wieder auf: Er wollte Sophie. Ob er sie haben durfte oder konnte, waren zwei andere Fragen, auf die er noch keine Antwort hatte, aber dieser eine Punkt war sicher.
Deshalb hatte er die Ashfords bei ihrem Eintreffen mit einiger Beklemmung begrüßt. Sie mussten vermuten, dass ihre Einladung zu diesem Ereignis mehr bedeutete, als es tatsächlich der Fall war. Nun musste er einen Weg finden, ihnen die Änderung seiner Absichten beizubringen, ohne sie zu kränken.
Das schien vergleichsweise leicht im Gegensatz zu der Herkules-Aufgabe, in Gegenwart von Mr. Cardea die Beherrschung zu wahren. Die charmante Art des Mannes, sein ungezwungenes Lächeln und vor allem seine ständige, hingebungsvolle Aufmerksamkeit seiner Cousine gegenüber machten Charles rasend, genau wie der Verdacht, dass Sophies Onkel die Verbindung zwischen ihnen förderte. Er beschloss, Cranbourne sorgfältig zu beobachten, sobald er hier war.
Endlich wurde das letzte Gedeck entfernt. Charles entspannte sich etwas, als seine Mutter die Damen zum Tee in den Salon führte, während die Herren dem Brandy zusprachen.
Zu früh.
„Noch so ein
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