Zwischen Pflicht und Sehnsucht
besprechen gab.“
Er umfasste sie fester, hielt sie an sich gedrückt und küsste sie dann. „Es tut mir so leid.“
Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. „Es ist lang vorbei. Seither sind wir so weit gekommen, nicht wahr?“
Er küsste sie auf die Stirn und zog sie an sich. „Und das ist nur der Anfang. Wir werden gemeinsam weitergehen.“
So sehr wünschte Sophie, dass das wahr werden würde. Panik überlief sie bei dem Gedanken, dass es nicht so sein könnte. Auf der Suche nach jenem Gefühl erfüllter Hingabe, das sie eben mit ihm geteilt hatte, ließ sie sich in seine Arme sinken. Er entzog sich ihr. Seine Gedanken schienen plötzlich weit entfernt.
„Charles, was hast du heute Abend gemeint, als du sagtest, du wolltest alles wiedergutmachen?“ Sie bereute die Worte, sobald sie ausgesprochen waren. Aber vielleicht war es nur gut so, dachte sie verzweifelt. Wenigstens würde sie erfahren, wo sie standen. Er schwieg lange, doch seine Ruhe hatte nun eine andere Qualität. Misstrauen? Bedauern?
„Das hat gar nichts bedeutet. Es ist nicht wichtig.“ Er ließ den Kopf sinken und atmete sanft in die Beuge ihres Halses. „Lass uns heute Nacht nur füreinander da sein.“
Der Funken Hoffnung, der gerade erst in ihr aufgekeimt war, flackerte und verlosch. Sie schloss die Augen. Da war so viel zwischen ihnen, aber es war nicht genug. Charles hatte vieles mit ihr geteilt, doch er konnte ihr immer noch sein Herz nicht öffnen und ihr Vertrauen schenken. Diese kurze Zeit der Hingabe und Leidenschaft, die sie der Realität abgerungen hatten, sollte wohl alles sein, was sie hatten. Sophie klammerte sich an ihn, wild entschlossen, jeden Tropfen Glück auszukosten, um in den kalten, einsamen Jahren, die vor ihr lagen, davon zu zehren.
„Der Himmel wird schon hell“, flüsterte er.
Sie sah zum Haus. „Wir sollten getrennt hineingehen, oder?“
„Ja.“ Er drehte sie zu sich, küsste sie noch einmal und sah sie innig an. „Alles wird gut, verstehst du?“
Sie nickte, obwohl sie ihm nicht glaubte.
16. KAPITEL
Unverzüglich weckte Charles seinen Bruder und war auf dem Weg nach London, bevor die Sonne am Horizont erschien. Er begriff die Wahrheit noch nicht ganz. Aber er hatte es aus Sophies eigenem Mund gehört. Lord Cranbourne war sein unbekannter Feind? Es schien absurd. Die ganze Zeit hatte er angenommen, es wäre jemand, dem er in der Vergangenheit etwas angetan hatte. Ein Ehemann, dem er Hörner aufgesetzt hatte, eine abgewiesene Frau, das Opfer eines gedankenlosen Streichs. Ihm fiel nichts ein, was er Sophies Onkel jemals angetan hätte.
Aber vielleicht war es die Zukunft, die Lord Cranbourne im Blick hatte? Er war immer in der Politik aktiv gewesen, es war bekannt, dass er Einfluss ausübte, allerdings still und im Hintergrund. Bis vor Kurzem. Immerhin hat er den Vorsitz des Komitees errungen, den ich angestrebt habe, überlegte Charles. Vielleicht hatte er sich von seinem Ehrgeiz bedroht gefühlt?
Sein Pferd war frisch und schien es ebenso eilig zu haben wie er selbst. Meile um Meile galoppierten sie dahin, aber seine Gedanken rasten noch schneller. Er würde Cranbournes Beweggründe schon herausfinden. Und dann? Ich könnte den Mann bloßstellen, um meinen eigenen Namen reinzuwaschen. Ich könnte meine politische Zukunft zurückhaben. Aber welche Auswirkungen würde das auf Sophie haben ? Eines wusste Charles jenseits jeden Zweifels. Er würde nichts tun, was Sophie schadete, nie wieder. Er hatte ihr genug Kummer bereitet – es war Zeit, ihr Glück an erste Stelle zu setzen.
Sophie. Allein der Gedanke an sie gab ihm Hoffnung. Sie hatten sich nichts versprochen, aber die letzte Nacht hatte alles verändert. Irgendwie würde er dieses Durcheinander in Ordnung bringen, und dann würden sie ihre gemeinsame Zukunft planen.
Er erreichte London am Vormittag. Obwohl er müde und hungrig war, ritt er direkt zur Green Street.
„Ja, Sir?“ Lord Cranbournes Butler war höflich, ließ sich aber eindeutig nicht von dem staubbedeckten Gentleman auf seiner Türschwelle beeindrucken.
Charles war nicht in der Stimmung, sich mit der Hochnäsigkeit höherer Bediensteter herumzuschlagen. „Ist Lord Cranbourne schon außer Haus?“
Der Mann musterte ihn von oben bis unten, als müsste er erst entscheiden, ob er antworten wollte oder nicht. „Ja, Sir. Seit etwa einer halben Stunde.“
„Dann möchte ich Mr. Fink sprechen.“
Der Diener sah verwirrt aus, fasste sich aber schnell wieder. „Es
Weitere Kostenlose Bücher