Zwischen Pflicht und Sehnsucht
„Dann bist du in mein Leben eingeschlagen wie eine Kanonenkugel und hast mich in Versuchung geführt. So schön, so voller Leben und Lachen. Ich aber habe widerstanden, denn sosehr ich es bedauern würde, dich zu verlieren, wusste ich doch, dass andere Dinge mich viel schlimmer quälen würden.“
Sophie fühlte, dass die Antworten, die sie suchte, förmlich in der Luft lagen. Sie setzte an zu fragen, aber er bemerkte es nicht und fuhr fort: „Jetzt sehe ich, was du vollbracht hast – nur mit deinem starken Willen und deinem großen Herzen –, und ich schäme mich. All meine hochtrabenden Ziele, all die harte Arbeit, und nichts habe ich vorzuweisen.“ Er wandte sich ihr zu, und sie dachte, ihr Herz müsste bei so viel Kummer und Zärtlichkeit in seinem Blick brechen. „Du bist diejenige, die etwas bewegt hat, auf ganz konkrete, menschliche Weise, wie es mir nie eingefallen wäre.“
„Ich habe getan, was ich mit meinen Voraussetzungen konnte, aber bei dir ist es anders. Du hast die Möglichkeit, Tausenden zu helfen.“
„Das war einmal, doch meine Chancen zerrinnen mir zwischen den Fingern. Schlimmer noch, ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich sie festhalten möchte. Oh, Gott …“, er stöhnte auf, „… was, wenn ich die ganze Zeit unrecht hatte? Ich weiß nicht, was ich denken, was ich fühlen soll. Alles, was ich weiß, ist, dass ich es leid bin, allen etwas vorzuspielen.“ Er wandte sich ab, stützte sich mit der Hand an einer Säule ab und starrte über den See hinaus. „Ich nehme nicht an, dass du weißt, was ich meine, oder? Du spielst niemandem etwas vor, du wirfst dich ins Leben, ohne darüber nachzudenken, was dir geschehen könnte. Du stellst andere über dich selbst, und sie lieben dich dafür.“
„Hör auf, Charles. Ich bin keine Heilige. Denk daran, wie oft du selbst mich für mein Benehmen getadelt hast.“
Er lachte ironisch. Langsam ging er auf sie zu, während sein Gesicht abwechselnd im Mondlicht und im Schatten lag. „Sophie, ich wäre der Letzte, der dich eine Heilige nennt.“ Das tiefe Timbre seiner leisen, verführerischen Stimme ließ sie erschauern. „Weißt du, was du bist?“ Er hob die Hand und legte sie sanft unter ihr Kinn. „Du bist eine Landplage.“ Zärtlich fuhr er mit dem Daumen über ihre Wange, streifte behutsam ihre Unterlippe. „Ein wunderschönes, lästiges, selbstloses, großherziges Ungeheuer.“
Ein sinnliches Prickeln überlief sie bei seiner Berührung. Sie ließ es zu, dass er sie zu sich in die Schatten zog. „Danke“, sagte sie mit bebender Stimme.
Er lachte, diesmal aufrichtig und etwas reumütig. „Ach Sophie, du hast meine Welt auf den Kopf gestellt.“ Sanft fuhr er mit den Lippen über ihren Mund. Sophie wurde es schwindelig. Ein Anflug von Angst versuchte sich Bahn zu brechen, aber sie schob sie weg, öffnete stattdessen die Schleusen ihres Verlangens und ließ sich mitreißen.
„Du bist das Einzige, was meine Welt in ihrer Bahn gehalten hat“, flüsterte sie.
Er küsste sie wieder, diesmal heftig, drängte mit schnellen, besitzergreifenden Zungenstößen in ihren Mund. Leidenschaft flammte heiß in ihr auf. Kühn erwiderte sie seinen Kuss, umspielte seine Zunge warm und auffordernd mit der ihren.
So lange hatte sie davon geträumt! So viele Nächte hatte sie sich die Zärtlichkeit seiner Berührung, die Süße seiner Küsse vorgestellt. Wie oft im Leben bekommt man, was man sich am meisten wünscht? Und das hier war vielleicht alles, was sie je haben würde. Sie fühlte sich wie eine Diebin, die sich diese wenigen Minuten des Glücks stahl, aber es war ihr egal. Wenn es zum Schlimmsten kam, würde sie den Schmerz im Austausch für das seltene Wunder eines wahr gewordenen Traums hinnehmen.
Begierig nach mehr, fuhr sie mit den Händen über seine Brust nach oben bis zu seinem Krawattentuch und zupfte probeweise daran. Es lockerte sich etwas, dann stöhnte Charles plötzlich auf, löste den Knoten und schleuderte es fort. Sie lächelte, und er schmiegte das Gesicht an ihren Hals, biss und küsste sie zärtlich. Ihr Kichern wurde zum Keuchen und dann zu einem leisen Stöhnen, als seine Finger nach den verborgenen Verschlüssen ihres Kleides suchten.
Plötzlich hielt er inne. „Warte!“ Ihr stockte der Atem, als er sie mühelos hochhob und sie zu der Chaiselongue trug, die Lady Dayle mit Blick auf den See aufgestellt hatte. Er kniete neben ihr nieder, blickte lächelnd zu ihr auf und hob langsam ihre Röcke bis kurz über das
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