Zwischen Sehnsucht und Verlangen
aufzubauen. Egal, ob er sich entschließen würde, hierzubleiben oder ob er wieder wegging, er würde etwas Bleibendes von sich hinterlassen.
Rafe kauerte sich vor dem Kamin nieder und untersuchte die Feuerstelle. Er war bereits gut vorangekommen mit den Ausbesserungsarbeiten. Nun würde es nicht mehr lange dauern, und dann würden orangerote Flammen emporzüngeln und Holzscheite knistern.
Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er seine Kelle nahm und sich in einem Eimer neuen Mörtel anrührte. Sorgfältig und präzise begann er wenig später, die Fugen zwischen den Steinen zu füllen.
„Ich dachte immer, der Boss sitzt nur am Schreibtisch und addiert Zahlenkolonnen.”
Rafe drehte sich um, und sein Blick fiel auf Jared, der mit auf Hochglanz polierten schwarzen Schuhen auf einem schmutzigen Lappen hinter ihm stand. Rafe hob die Augenbrauen. Sein Bruder trug unter dem offen stehenden dunklen Mantel einen vornehmen grauen Nadelstreifenanzug mit Weste. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund wirkte die Wayfarer-Sonnenbrille, die er auf hatte, nicht einmal deplatziert.
„Das ist Sache der Buchhalter.”
Jared nahm die Brille ab und steckte sie in die Manteltasche. „Die dann dabei darüber nachsinnen, was wohl die Welt wäre ohne sie.”
„Vielleicht.” Rafe tauchte die Kelle in den Mörtel, während er seinen Bruder von Kopf bis Fuß musterte. „Willst du auf eine Beerdigung?”
„Ich hatte einen Termin im Ort und wollte nur mal sehen, wie die Dinge so stehen.” Während er seine Blicke durch den Raum schweifen ließ, ertönte von oben ein ohrenbetäubender Krach, dem ein kräftiger Fluch folgte. „Himmel, was war denn das?”
„Nur keine Aufregung.” Rafe seufzte, als er sah, wie Jared eine kleine Blechschachtel aus seiner Manteltasche holte und ihr ein schlankes Zigarillo entnahm. „Du hast’s gut. Komm doch ein bisschen näher, damit ich wenigstens den Qualm riechen kann, wo ich doch seit zehn Tagen nicht mehr rauche.”
„Wohl auf dem Gesundheitstrip, hm?” Entgegenkommend kam Jared heran, kniete sich neben Rafe vor den Kamin und blies ihm genüsslich den Rauch ins Gesicht, während er fachmännisch das Mauerwerk betrachtete. „Hat sich ziemlich gut gehalten.”
Rafe klopfte mit dem Fingerknöchel gegen den Kaminsims. „Ist ja auch ein echter Adam, Kumpel.”
Jared brummte anerkennend und klemmte sich das Zigarillo zwischen die Zähne. „Kann ich dir hier irgendwas helfen?”
Rafe zog eine Braue hoch. „Mit den Schuhen?”
„Nicht jetzt natürlich, Rafe. Aber zum Beispiel am Wochenende.”
„Zwei starke Arme kann ich immer brauchen.” Erfreut über das Angebot, nahm Rafe die Kelle wieder zur Hand. „Was machen deine Muskeln?”
„Sind bestimmt nicht mickriger als deine.”
„Trainierst du noch?”, spöttelte Rafe und versetzte Jared mit der geballten Faust einen scherzhaften Stoß auf den Bizeps. „Ist doch nur was für Waschlappen.”
Jared stieß eine Rauchwolke aus. „Lust auf ‘ne Runde, Bruderherz?”
„Sicher – wenn du nicht so rausgeputzt wärst.” Selbstquälerisch inhalierte Rafe den Zigarrenrauch, der in der Luft hing. „Mehr gedient wäre mir allerdings mit deinem juristischen Sachverstand bei dieser Sache hier.”
Er machte eine umfassende Geste.
„Wart nur ab, bis du erst die Rechnung von mir bekommst.” Jared erhob sich mit einem Grinsen. „Als du mich telefonisch beauftragt hast, die Eigentumsverhältnisse von dieser Hütte hier zu rekonstruieren, hab ich wirklich befürchtet, dass du jetzt vollkommen durchgeknallt bist. Und nach der Ortsbegehung war ich mir sicher, dass es so ist. Zwar bekommst du das Haus praktisch umsonst, weil kein Besitzer mehr existiert, aber das, was du reinstecken musst, ist ungefähr das Zweifache dessen, was dich ein funkelnagelneues Haus mit allem Komfort kosten würde.”
„Das Dreifache”, korrigierte Rafe milde, „wenn ich alles so mache, wie ich es mir vorstelle.”
„Und wie stellst du es dir vor?”
„Genau so, wie es früher einmal war.” Rafe presste Mörtel in eine Fuge und strich ihn mit der Kelle glatt.
„Da hast du dir ja was vorgenommen”, murmelte Jared. „Aber wenigstens scheinst du mit den Arbeitern keine Probleme zu haben. Ich hatte schon Bedenken, dass du niemanden finden würdest, der bereit wäre, in diesem Haus hier zu arbeiten.”
„Ist alles nur eine Frage des Geldes”, gab Rafe zurück. „Allerdings muss ich zugeben, dass heute Morgen ein Klempnerlehrling das Handtuch
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