Zwischen Sehnsucht und Verlangen
zerrannen, und Regan starrte noch immer auf die Tür, die Rafe hinter sich zugeknallt hatte. „Möchten Sie, dass ich ihm nachgehe und ihn ins Kittchen werfe?”
„Wenn Sie dort eine Windelhose für ihn haben.”
„Bedauerlicherweise nicht. Aber ich habe ihm einmal einen Finger gebrochen, als wir noch Kinder waren. Ich könnte es noch mal versuchen.”
„Ach, machen Sie sich keine Gedanken.” Sie würde Rafe später schon die Leviten lesen. „Eigentlich bin ich hergekommen, um zu sehen, ob Sie Joe Dolin inzwischen schon festgenommen haben.”
„Rafe war auch deswegen hier.”
„Das hätte ich mir denken können.”
„Möchten Sie vielleicht eine Tasse Kaffee, Regan?”
„Nein danke, ich muss gleich wieder weiter. Ich wollte nur wissen, ob ich irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen wegen Joe treffen muss. Weil doch Cassie und die Kinder für einige Zeit bei mir wohnen werden.”
Ruhig musterte er sie. Er kannte sie nun seit drei Jahren, allerdings nur flüchtig. Ab und zu waren sie sich bei Ed oder auf der Straße begegnet und hatten ein paar Worte gewechselt. Dass sie schön war, war ihm natürlich nicht entgangen. Doch nun erkannte er, was es war, das seinen Bruder an ihr anzog. Ihr Geist, ihr Humor und ihr Mitgefühl. Er fragte sich, ob Rafe klar war, dass diese Kombination eine neue Qualität in sein Leben bringen könnte.
„Warum setzen Sie sich nicht wenigstens für einen kleinen Moment?”, fragte er. „Wir können die Dinge in Ruhe durchgehen.”
5. KAPITEL
M ontagmorgen war Regan schon früh auf den Beinen. In ein paar Stunden würden die ersten Möbelstücke in das Haus auf dem Hügel geliefert werden. Mit dem Geld, das sie an ihnen verdient hatte, würde sie gleich heute Nachmittag auf einer Auktion in Pennsylvania ihren Warenbestand wieder aufstocken.
Heute konnte sie es sich durchaus leisten, das Geschäft einmal nicht zu öffnen.
Sie stellte die Kaffeemaschine an und legte zwei Scheiben Weißbrot in den Toaster. Als sie sich umdrehte, fiel sie fast über Connor, der hinter ihr stand.
„Oh Gott, Connor.” Lachend drückte sie den Jungen an ihr laut klopfendes Herz. „Hast du mich aber erschreckt.”
„Entschuldigung.” Der Junge war dünn und blass und hatte große, wie von dunklem Nebel verhangene Augen. Genau wie seine Mutter, dachte Regan, während sie ihn anlächelte.
„Macht doch nichts. Ich habe gar nicht gehört, dass du schon aufgestanden bist. Es ist doch noch so früh, auch wenn es ein Schultag ist.
Willst du schon frühstücken?”
„Nein danke.”
Sie hielt einen Seufzer zurück. Ein achtjähriges Kind sollte wirklich nicht so ausgesucht höflich sein. Sie hob eine Braue und nahm das Müsli, von dem sie wusste, dass er es besonders gern aß, aus dem Schrank. Sie hielt die Packung hoch und schüttelte sie. „Was ist, willst du nicht einen Teller mit mir zusammen essen?”
Nun lächelte er ein scheues Lächeln, das ihr fast das Herz brach. „Wenn du jetzt schon was isst.”
„Nimm doch bitte die Milch aus dem Kühlschrank und stell sie schon mal auf den Tisch, ja?” Weil es sie schmerzte zu sehen, wie vorsichtig und bedächtig er diese einfache Pflicht übernahm, versuchte sie ihre Stimme besonders munter klingen zu lassen. „Ich habe vorhin im Radio gehört, dass es wieder schneien wird. Ganz viel wahrscheinlich.”
Sie nahm Tel er und Löffel aus dem Küchenschrank, ging ins Wohnzimmer und stellte alles auf den Tisch. Als sie die Hand hob, um Connor über sein vom Schlaf noch verstrubbeltes Haar zu streichen, zuckte er zusammen. Während sie innerlich über Joe Dolin fluchte, lächelte sie den Jungen an. „Ich wette, morgen habt ihr schulfrei wegen des Schnees.”
„Ich gehe gern in die Schule”, gab er zurück und kaute auf seiner Unterlippe herum.
„Ich bin auch gern zur Schule gegangen.” Mit aufgesetzter Fröhlichkeit eilte sie wieder in die Küche, um ihren Kaffee zu holen. „Was ist denn dein Lieblingsfach?”
„Englisch. Ich schreib unheimlich gern Aufsätze.”
„Wirklich? Worüber denn?”
„Geschichten.” Er ließ die Schultern hängen und sah zu Boden. „Einfach irgendwie so blödes Zeug.”
„Ich bin sicher, dass das kein blödes Zeug ist, was du da schreibst.” Sie konnte nur hoffen, dass sie sich nicht zu weit vorwagte, aber ihr Herz führte ihr die Hand, als sie sie Connor unters Kinn legte und seinen Kopf hob, sodass er ihr ins Gesicht sehen musste. „Ich weiß, wie stolz deine Mutter auf dich ist. Sie hat mir
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