Zwischen Sehnsucht und Verlangen
erzählt, dass du den ersten Preis gewonnen hast für eine Geschichte, die du geschrieben hast.”
„Ja?” Man sah ihm an, wie hin- und hergerissen er war zwischen dem Wunsch, sie anzulächeln, und dem Bedürfnis, seinen Kopf wieder hängen zu lassen. Aber das ging nicht, denn Regans Hand lag noch immer unter seinem Kinn. Plötzlich schössen ihm die Tränen in die Augen. „Sie hat so schrecklich geweint letzte Nacht. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.”
„Ich weiß, mein Kleiner.”
„Er hat sie schon immer gehauen. Ich weiß es, weil ich gehört hab, wie sie geweint hat. Aber wie konnte ich ihr denn helfen, wo mein Daddy doch so stark ist?”
„Du sollst dir wirklich keine Vorwürfe machen, Connor.” Sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf, zog ihn auf ihren Schoß und legte die Arme fest um ihn. „Es gab nichts, was du hättest tun können. Aber jetzt seid ihr alle drei in Sicherheit.”
„Ich hasse ihn.”
„Sssch…” Entsetzt darüber, mit welch explosionsartiger Wucht diese drei Worte aus ihm hervorbrachen, presste sie ihre Lippen auf sein Haar und wiegte ihn in ihren Armen.
Regan erreichte das Barlow-Haus kurz vor dem Transportunternehmen, das sie angeheuert hatte. Das emsige Hämmern, Bohren und Klopfen, das ihr entgegenschlug, als sie die Haustür öffnete, hob ihre Laune.
Der Flur war mit Plastikplanen ausgelegt, überall standen Farbeimer und Werkzeug herum, aber die Spinnweben waren ebenso verschwunden wie der muffige Geruch, der über dem gesamten Haus gelegen hatte. Alles roch frisch und sauber.
Vielleicht hatte ja schon eine Art Geisteraustreibung stattgefunden.
Amüsiert von diesem Gedanken, ging sie zur Treppe und schaute nach oben. Ob sie es überprüfen sollte?
Mutig nahm sie den ersten Treppenabsatz, doch noch bevor sie ganz oben angelangt war, schlug ihr wieder dieser eisige Lufthauch ins Gesicht.
Ruckartig blieb sie stehen, eine Hand umklammerte das Geländer, die andere presste sich auf ihren Magen, während sie gegen die Eiseskälte anzukämpfen versuchte, die ihr die Luft zum Atmen nahm.
„Du scheinst gute Nerven zu haben.”
Mit schreckgeweiteten Augen wandte sie sich zu Rafe um. „Ich habe gedacht, ich hätte mir das vielleicht nur eingebildet, aber jetzt hab ich es wieder gespürt. Wie schaffen es die Arbeiter hier hochzugehen, ohne …”
„Nicht jeder merkt es. Und manche beißen eben die Zähne zusammen und denken nur an ihren Gehaltsscheck.” Er kam die Treppen nach oben und nahm ihre Hand. „Und du?”
„Wenn ich es nicht selbst gespürt hätte, würde ich es niemals glauben.”
Ohne Protest ließ sie sich von ihm nach unten führen. „Immerhin wird diese merkwürdige Sache unter deinen zukünftigen Gästen für nie versiegenden Gesprächsstoff sorgen.”
„Na, hoffentlich, Darling. Damit rechne ich fest. Komm, gib mir deinen Mantel. Wir haben die Heizung für diesen Teil des Hauses bereits heute fertig gemacht. Sie läuft schon.” Er streifte ihr den Mantel von den Schultern. „Sie läuft zwar nur auf kleiner Flamme, aber man kann es aushalten.”
Sie war erfreut, dass es wenigstens so warm war, dass sie nicht wie die Male vorher vor Kälte zu bibbern brauchte. „Ich brenne vor Neugier, erzähl schon, was hat sich oben getan?”
„Oh, dies und das. Ich will auch noch ein zweites Bad einbauen lassen.
Könntest du vielleicht versuchen, irgendwo so eine Klauenfuß-Badewanne aufzutreiben? Und ein Waschbecken mit Sockel? Schlimmstenfalls würden es auch gute Imitate tun, wenn sich keine Originale finden lassen.”
„Gib mir ein paar Tage Zeit, ja?” Sie rieb ihre Hände aneinander, allerdings nicht wegen der Kälte, sondern weil sie nervös war. „Zeigst du mir freiwillig, was du die Woche über geschafft hast, oder muss ich dich erst darum bitten?”
„Ich zeige es dir ganz freiwillig.” Er hatte schon die ganze Zeit auf sie gewartet und alle paar Minuten nach ihr Ausschau gehalten. Und nun, da sie endlich da war, war er ganz gegen seine sonstige Gewohnheit angespannt. Die vergangene Woche über hatte er geschuftet wie ein Ackergaul, zwölf bis vierzehn Stunden pro Tag, nur um diesen einen Raum endlich fertig zu kriegen.
„Ich finde, die Farbe kommt wirklich gut.” Er steckte die Hände in die Hosentaschen und ging ihr voran in den Salon. „Ein hübscher Kontrast zum Fußboden und der Einrichtung, denke ich. Mit den Fenstern gab’s ein paar Probleme, aber sie sind gelöst.”
Als sie schließlich auf der Schwelle zum Salon
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