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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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das eine Bitte um Hilfe. Deutlicher konnte sie es nicht ausdrücken. »Ich weiß, Jo. Wir finden jemanden, der dir hilft.«
    »Sind sie mit mir überhaupt noch sicher?«
    Wie gerne hätte er Aber natürlich gesagt, doch sein Auge schmerzte von ihrem Faustschlag, an den sie sich wahrscheinlich nicht mehr erinnerte. Er spürte immer noch, dass sie zitterte. Die Wahrheit war: Er wusste es nicht.

V IERUNDZWANZIG
    Am nächsten Morgen war Jolene vor Michael auf.
    Er fand sie im Familienzimmer. Sie hatte einen Spiegel aufgestellt und ging davor auf und ab. Dabei studierte sie ihren Gang und versuchte, so natürlich zu gehen wie früher.
    Als er sie von der Tür aus beobachtete, stolperte sie, fiel hin und fluchte.
    Er kam sofort zu ihr und wollte ihr aufhelfen. »Jo …«
    »Das muss ich allein schaffen«, erklärte sie mit zusammengebissenen Zähnen und schob seine Hand beiseite. »Ich will wieder so sein wie früher.«
    Er hörte die Verzweiflung in ihrer Stimme, sah die Angst in ihren Augen und zog sich zurück. Es tat ihm in der Seele weh zuzusehen, wie sie sich mühsam aufrichtete, schwankend dastand und sich an einer Stuhllehne festhielt.
    Dreimal fiel sie noch hin, während er sie beobachtete. Jedes Mal ballte sie ihre gesunde Hand zu einer Faust und stand keuchend wieder auf. Aber sie fluchte nicht mehr und verlor kein Wort über ihre Schmerzen. Dabei wusste er, dass es teuflisch weh tun musste; Conny hatte ihm erzählt, dass sie vom Training Blasen an ihrem Stumpf hatte.
    »Das sieht großartig aus«, sagte er, als sie mühelos eine kurze Strecke absolvierte und sich scheinbar leichtfüßig umdrehte.
    Sie lächelte ihn an, aber er sah durch ihre Fassade hindurch und war erschrocken über die Traurigkeit in ihren Augen. Er bemerkte, was es sie kostete, zu stolpern, zu fallen, die einfachsten Dinge nicht ohne Hilfe tun zu können. Jetzt runzelte sie die Stirn. »Du hast ja ein blaues Auge.«
    »Sieht aus wie Jack Sparrow, findest du nicht?«
    »War ich das?«
    »Nicht absichtlich, Jo.«
    »Tut mir leid.«
    »Das weiß ich doch. Mach dir keine Gedanken.«
    »Ja, ja«, sagte sie müde.
    Er sah, wie zerbrechlich sie war, wie entsetzt bei der Vorstellung, ihn verletzt zu haben – und sich nicht daran zu erinnern. Er hätte gern mit ihr über ihre Alpträume geredet, aber sie hatte schon wieder eine Wand zwischen ihnen errichtet, und wie sollte er die überwinden? Er hatte keine Ahnung, was sie im Irak durchgemacht hatte. Was sollte er überhaupt fragen?
    Da kamen die Mädchen die Treppe heruntergerannt. Als sie Jolene sahen, blieben sie so abrupt stehen, dass Betsy Lulu förmlich vorschob.
    »Hallo, ihr zwei«, rief Jolene und sah so traurig aus, wie er sie noch nie gesehen hatte. »Das mit gestern Nacht tut mir leid. Ich hatte nur einen Alptraum.«
    »Ach, hat Dad deshalb ein blaues Auge?«, erwiderte Betsy angespannt. »Was ist los mit dir?«
    Jolene seufzte. »Mir geht’s schon bald wieder besser. Ehrlich. Ich muss mir nur mehr Mühe geben.«
    »Ich hab Hunger«, verkündete Lulu. »Daddy, machst du uns heute Morgen Frühstück?«
    Michael sah, wie Jolene darauf reagierte. Sie wirkte enttäuscht, und ihre Schultern sackten nach vorn. Sie drehte sich um und humpelte entschieden zum Spiegel.
    »Ist gut«, sagte Michael. »Machen wir Frühstück.« Er scheuchte die Mädchen in die Küche, bereitete ihnen das Frühstück und folgte ihnen dann nach oben, wo sie sich für die Schule fertig machten. »Verabschiedet euch von eurer Mom«, forderte er sie auf, als sie zur Haustür gingen.
    »Bye, Mom«, sagten sie pflichtschuldig und wie aus einem Mund. Sie sahen Jolene nicht an, und Jolene ging weiter vor dem Spiegel auf und ab und studierte ihren Gang. Michael begleitete die beiden Mädchen zum Ende der Einfahrt und blieb bei ihnen, bis sie in den Bus einstiegen. Dann kehrte er ins Haus zurück. Als er zu Jolene trat, bemerkte er ihren traurigen Blick.
    »Hey.« Er berührte sie am Arm.
    »Sei heute nicht so nett zu mir«, erwiderte sie. »Das halt ich nicht aus.«
    Wieder wurde er daran erinnert, wie sehr sie sich schon voneinander entfremdet hatten. Sie wollte keinen Trost von ihm, nicht mal jetzt, mit ihrer Angst und Trauer, mit ihrem gebrochenen Herzen.
    »Na, komm, Jo, Zeit für die Reha«, sagte er schließlich. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
    Auf der Fähre wollte sie im Wagen bleiben. Also saßen sie schweigend da, bis Michael sich zu ihr wandte: »Es muss schrecklich da drüben gewesen sein«, setzte er

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