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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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verzichtet, aber mittlerweile bestand berechtigter Zweifel daran, ob sein Klient überhaupt prozessfähig war.
    Seine Sprechanlage summte. »Michael? Mr Keller ist hier, um Sie zu sprechen.«
    »Schicken Sie ihn herein.« Michael klappte die Akte zu und schlug einen Notizblock auf.
    Edward Keller trat zögernd und mit nervösem Blick ins Büro. Er war ein großer Mann mit kurzgeschorenen schwarzen Haaren und buschigem Schnurrbart à la Tom Selleck. In seinem karierten Hemd und der Wrangler-Jeans wirkte er blass und verschwitzt.
    Michael erhob sich und streckte die Hand aus. »Hallo, Ed. Ich bin Michael. Schön, Sie endlich persönlich kennenzulernen.«
    Ed drückte seine Hand. »Meine Frau wollte nicht mitkommen. Sie hat es versucht … aber sie kann einfach noch nicht darüber reden. Emily war für uns wie eine Tochter. Es ist schwer …«
    »Ich verstehe«, sagte Michael, und das stimmte. Er lebte in einer Welt voller Verbrechen und ihrer Opfer; er hatte schon oft gesehen, wie groß die Trauer war, wenn ein geliebter Angehöriger ein schreckliches Verbrechen beging. In einem Fall wie diesem waren Ed und seine Frau unbeachtete Opfer.
    »Er will nicht mit mir reden«, berichtete Ed. »Er sitzt einfach nur da und starrt die Wand an.«
    »Ehrlich gesagt, Ed, ist genau das unser Problem. Im Moment redet nur der Staatsanwalt, und was er sagt, gefällt mir gar nicht. Keith ist wegen Mordes angeklagt, und die Staatsanwaltschaft behauptet, sie hätte einen Zeugen, der aussagt, dass Keith den Mord gestanden hat.«
    Ed wirkte am Boden zerstört. Er sank auf seinem Stuhl zusammen. »Er war so ein guter Junge. Freundlich. Beliebt. Ein Junge, der einem anbietet, die Einkaufstüten zu tragen, und nachfragt, wie es einem geht. Er ging mit einigen netten und hübschen Mädchen aus und hatte viel Spaß an der High School, aber als er Emily kennenlernte, wusste er sofort, dass sie die Richtige ist.«
    »Wann fing es an bergab zu gehen?«
    »Was?«
    »Mit der Ehe.«
    »Oh. Nie.«
    »Ed«, sagte Michael ruhig. »Irgendwas muss doch schiefgegangen sein.«
    Ed starrte auf seine Hände. »Wir haben uns auch schon eine Million Mal diese Frage gestellt. Wirkte er deprimiert? Hast du sie je streiten hören? Hat er jemals gesagt, er wäre unglücklich? Unsere Familie hat das sorgfältig von allen Seiten beleuchtet. Aber wir sind überzeugt, dass ihre Ehe glücklich war. Sie konnte seine Rückkehr aus dem Irak gar nicht erwarten. Sie hat ihm jeden Tag geschrieben.«
    Michael hob abrupt den Kopf. »Irak? In meinen Unterlagen hab ich nichts davon gelesen, dass er im Irak gedient hat. Dort steht nur, er sei ein ehrenhaft entlassener Marine.«
    »Er war sogar zweimal da. Aber als er nach dem zweiten Mal nach Hause kam, war er völlig verändert.«
    »Inwiefern?«
    »Wir haben alle gesehen, dass er nicht mehr der Alte war. Wenn man ihn erschreckte – und das konnte man sehr leicht –, dann fuhr er einen so plötzlich an, dass einem der Atem stockte. Ich weiß auch, dass er nicht viel schlief. Emily erzählte mir, dass er neuerdings eine geladene Waffe am Bett hätte. Und ich, Gott helfe mir, sagte nur, ein Mann müsste seine Familie schützen.«
    Michael notierte sich Posttraumatische Belastungsstörung und unterstrich es. »Wissen Sie, ob er Emily jemals geschlagen hat?«
    »In den letzten Tagen vor … Sie wissen schon … hab ich mich das auch gefragt. Keith war so aufgebracht und reizbar. Bei einem Familienessen schrie er seinen Bruder wegen nichts und wieder nichts an. Und der Blick in seinen Augen jagte uns allen Angst ein. Das war nicht mehr unser Keith. Als ich ihn darauf ansprach, meinte er, er hätte zu viel Kaffee getrunken, aber das nahm ich ihm nicht ab. Ich glaube, was ihm im Irak widerfahren ist, hat dazu geführt, dass er Emily erschoss.«
    Was ist im Irak geschehen? , notierte Michael. Und Verminderte Schuldfähigkeit. »Hat er professionelle Hilfe bekommen?«
    »Er hat es versucht. Aber beim Department of Veterans Affairs hat man ihn mit einem Rezept für Prozac weggeschickt.«
    Michael klopfte mit seinem Stift auf den Schreibtisch und dachte nach. Also hatte sein Klient versucht, von der Armee Hilfe zu bekommen, und war abgewiesen worden. Das war gut. Wenn auch nicht überraschend. »Alles klar, Ed. Ich werde ein paar Nachforschungen zu dem anstellen, was Sie mir erzählt haben, aber ich muss mit Keith reden, und Keith muss unbedingt mit einem Psychiater reden. Und zwar schnell.«
    »Das wird er nicht …«
    »Wenn nicht, Ed,

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