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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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gern was von meiner Mom hören wollte.«
    Er trat einen Schritt zurück und überließ ihnen seinen Platz in der Schlange.
    »Bist du sicher, dass du niemanden anrufen willst?«, vergewisserte sich Jolene. »Was ist mit deiner Familie?«
    »Nein, die besuchen heute meine Grandma.«
    Jolene blickte Tami an, die sie angrinste. »So wünsch ich mir die Männer, Smitty«, meinte Tami.
    Die Frauen nahmen seinen Platz ein, und Smitty entfernte sich pfeifend.
    Als das Telefon frei war, trat Tami vor und rief ihre Familie an. Während Jolene auf den munteren Singsang ihrer Freundin hörte, tappte sie ungeduldig mit dem Fuß und strich mit den Fingern über den rauen Stoff ihrer Hose, bis sie schließlich selbst an der Reihe war. Als Tami auflegte, stürzte sie vor und nahm den Hörer, der von den vielen Händen schon ganz warm war, und rief zu Hause an.
    Betsy meldete sich, sagte: »Hallo?« und brüllte dann: »Es ist Mom!«
    Jolene lehnte sich an die sonnengewärmte Wand des Gebäudes und versuchte vergeblich, die Schlange der Wartenden hinter sich zu ignorieren. Sie hörte, wie sie sich hinter ihr rührten, lachten und plauderten. »Hey, Bets. Wie war deine Woche? Tut mir leid, dass ich gestern nicht anrufen konnte. Wir wurden Tag und Nacht gedrillt.«
    Betsy stürzte sich in eine aufgeregte Schilderung eines Traumas, das ihr an der Schule widerfahren war. Offenbar war Betsy als Letzte in eine Volleyballmannschaft gewählt worden. Sierra und Zoe steckten dahinter und hatten sie ausgelacht, bis Betsy sie anschrie und dafür prompt nachsitzen musste. »Ich! Ich musste vor die Tür, dabei war das alles ihre Schuld. Kannst du meinen Sportlehrer anrufen und das richtigstellen?«
    Jolene hatte nur zehn Minuten zum Telefonieren, und Betsy hatte davon schon sechs mit ihrer Geschichte ausgefüllt. »Ach, Schatz, das geht nicht, aber du könntest …«
    »Schon klar! Du bist zu beschäftigt. Mach dir keine Gedanken, Mom. Lulu! Du bist dran!«
    »Sei doch nicht so, Betsy«, bat Jolene und spürte, wie ihr schlechtes Gewissen sich regte. »Wir haben so wenig Zeit zum Reden.«
    »Allerdings.«
    »Ich schreibe dir eine E-Mail, sobald ich kann, ja?«
    »Wie ich schon sagte, Mom, mach dir nur keine Gedanken. Ich brauche dich nicht. Hier ist Lulu.«
    »Ich hab dich lieb, Betsy.«
    Doch am anderen Ende der Leitung hörte sie nur jemanden atmen; dann kam Lulu und klang wie eine Maus auf Helium. Am Ende einer Geschichte über etwas, was sie aus Schnur und Makkaroni für Jolene gebastelt hatte, sagte Lulu: »Du sollst mir heute Abend was vorlesen.«
    »Das kann ich doch nicht, Schatz.«
    Da brach Lulu in Tränen aus. »Daddy, sie kommt immer noch nicht nach Hause …«
    »Hey, Jo«, sagte Michael eine Sekunde später. Er klang so müde, wie sie sich plötzlich fühlte.
    »Lulu hat sich weder verabschiedet noch ›Ich hab dich lieb‹ gesagt.«
    »Sie ist aufgebracht, Jo. Sie wird sich schon beruhigen. Wie geht es dir?«
    Jolene telefonierte bereits seit elf Minuten. Die Wartenden hinter ihr wurden langsam unruhig. »Hat sie wieder Alpträume? Dann braucht sie ihre gelbe Decke und das rosafarbene Band.«
    »Ach bitte, Jo. Meinst du ernsthaft, die Mädchen würden ihrer Mutter einfach nur alles Gute wünschen, wenn die in den Krieg zieht, und dann munter weitermachen wie bisher?«
    Hinter ihr rief jemand: »Kommen Sie schon, Ma’am. Wir alle hier haben Familie.«
    Sie hätte noch so viel sagen wollen, aber ihr blieb einfach keine Zeit. Michaels Schweigen zerrte ihr an den Nerven. »Ich werde Betsy heute Abend eine E-Mail schreiben. Sorgst du bitte dafür, dass sie sie vor der Schule liest?«
    »Na klar. Deine Zeit ist jetzt also abgelaufen?«
    »Ja.«
    »Tolles Gespräch«, sagte er so leise, dass sie ihn kaum hören konnte.
    »Mach’s gut«, flüsterte sie, dann legte sie auf. Der Nächste in der Reihe schob sich an ihr vorbei und nahm den Hörer.
    Jolene wich zurück; sie bekam mit, dass Tami sich zu ihr gesellte. Sie machten sich auf den Weg zurück zu ihrer Unterkunft.
    »Betsy hat mir geschlagene zehn Minuten von ihrem Schultag erzählt und gefragt, ob ich ihren Sportlehrer anrufen könnte, damit sie nicht nachsitzen muss«, sagte Jolene.
    Tami lachte leise. »Wir mögen zwar in den Krieg ziehen, aber die Pflichten als Mutter bleiben uns erhalten. Und Michael?«
    »Hat mich gefragt, ob ich ernsthaft glaubte, die Mädchen würden es einfach so wegstecken, wenn ich in den Krieg zöge.«
    »Dabei sind wir noch nicht mal im Krieg.«
    Jolene

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