Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
Diese Frau könnte man durchaus als rotblond bezeichnen, obwohl ihre Mähne total kraus ist und sich bestimmt nur mit teuren Pflegemitteln zähmen lässt. Auf ihrem Foto im Internet hatte Kelly glatte Haare, aber vielleicht hat sie sie heute einfach nicht geplättet.
Sie kommt an den Tresen, und plötzlich habe ich das Gefühl, ich müsste sie beeindrucken.
»Sind Sie Kelly?«, frage ich.
Die Frau schüttelt ihren Topfreiniger-Kopf. »Nein.«
»Ah, gut.«
Als sie die Stirn runzelt, versuche ich, die Situation schnell zu retten. »Was darf ich Ihnen denn bringen?«
Sie sieht zu unserer Tafel mit den Kaffeespezialitäten hinauf und lässt sich Zeit. Ich verspüre den Drang, ein Schnarchgeräusch zu imitieren (darin bin ich große Klasse), aber ich glaube nicht, dass Marla darüber lachen kann. Also warte ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Und warte.
Und warte.
Und warte.
Echt, wenn das so weitergeht, dann werde ich die Stirn runzeln. Mein Mund hält dieses falsche Gelächel ganz schlecht aus. Ich beginne zu summen, was mir aber erst bewusst wird, als die Frau mich mit strenger Miene ansieht. Gott sei Dank (und zwar großer Dank) ist sie nicht Dads rotblondes Date.
Die Türglocke bimmelt. Neue Kundschaft. »Haben Sie gewählt?«, frage ich die Frau, die sich nicht entscheiden kann. Ich stelle sie mir schon als meine Stiefmutter vor: wie ich stundenlang vor der Schule warte, dass sie mich abholt. Wie sie eine Ewigkeit braucht, um ein paar Lebensmittel auszusuchen. Und wie ich darauf warte, bis sie eine simple pikante Thunfisch-Roll bei Hanabi für mich bestellt hat.
Hinter ihr sehe ich eine andere Frau, die als rotblond durchgehen könnte, zum Tresen kommen. Ich schnappe nach Luft. Diese Frau ist fett. Und das ist noch freundlich ausgedrückt. Vielleicht stammt das Foto, das sie mitgeschickt hat, aus der Zeit, bevor sie so zugelegt hat. Mein Dad ist ein Fitness- und Gesundheitsapostel, und sie sieht aus, als hätte sie ein paar KitKats zu viel verdrückt, wenn ihr wisst, was ich meine. Aber sie hat ein freundliches Gesicht. Hey, vielleicht kann Dad sie auf eine superstrenge Diät setzen und die überschüssigen Kilos purzeln in Nullkommanichts.
Ich ignoriere die unentschlossene Dame und frage die Übergewichtige: »Sind Sie Kelly?«
»Nein. Aber ich hätte gern einen großen Karamell-Latte mit Schlagsahne.«
Mein Perk Me Up! -Lächeln klebt mir wie festgetackert im Gesicht, obwohl es mich reizt, ihr statt des Karamell-Lattes einen fettreduzierten zu empfehlen.
Während ich ihre Bestellung boniere, signalisiert mir Miss Unentschlossen, dass sie jetzt bereit wäre. Sieht sie nicht, dass ich gerade die Bestellung von jemand anderem bearbeite?
Marla ist im Büro, und ich will nicht, dass sie denkt, ich käme nicht klar. Ich wende mich an die Unentschlossene. »Haben Sie sich entschieden?«
»Wie viele Kalorien hat der mittlere Vanillekaffee? Genauso viele wie der normale?«
Will die mich veräppeln? Ich sehe unter dem Tresen nach, ob dort eine Kalorientabelle liegt, aber Fehlanzeige. Was nun? Soll ich erst mal das Getränk der anderen Frau fertig machen oder Marla zur Hilfe rufen?
Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Es ist Punkt sieben. Kelly wird jeden Moment hier sein. Mein Dad wird jeden Moment hier sein.
Und Miss Unentschlossen macht sich einen Kopf über ein paar Kalorien.
Ich klopfe an der Bürotür und rufe Marla an die Kasse. Dann mache ich schnell den großen Karamell-Latte, während Marla sich um die kraushaarige, superanspruchsvolle Kundin kümmert. Die Glocke ertönt ein weiteres Mal, und es kommt eine Frau herein, die definitiv aussieht wie die auf Kellys PJSN -Profilbild.
Suchend lässt sie den Blick durch das Café schweifen, setzt sich dann an einen freien Tisch und wartet auf meinen nichts ahnenden Vater.
Und schon kommt er als Nächster durch die Tür. Mein Herz pocht jetzt mit hundert Schlägen pro Sekunde. Dad winkt mir zu und geht zum Tresen. Kelly muss ihn anhand des Bildes, das ich eingestellt habe, erkannt haben. Sie stellt sich hinter ihn und hebt die Hand.
»Ich muss dir was sagen«, rufe ich genau in dem Moment, als Kelly ihm auf die Schulter tippt und »Ron?« fragt.
Er dreht sich zu ihr um. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Dad, es ist wichtig.«
Er legt die Fingerspitzen seiner einen Hand aneinander und bewegt sie auf und ab, das spezielle israelische Zeichen für warte eine Sekunde . Das Problem ist nur, dass ich keine Sekunde warten kann. Ich muss ihm sagen, dass er
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