Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
Ausgleich für den Fastentag.
Ich erkenne da ein Muster. Warum dreht sich bei so vielen jüdischen Feiertagen alles ums Essen?
Weil mein Dad seit heute Morgen verreist ist, hat Jessica mich abends zu sich zum Sabbat-Mahl eingeladen. Nach der Schule gehe ich erst nach Hause, führe Köter Gassi und fahre dann mit dem Taxi zu Jessica. Ansonsten kann ich noch berichten, dass Nathan mich den ganzen Tag mit Missachtung gestraft hat. Sogar als ich noch einen Anlauf unternommen habe, mich bei ihm zu entschuldigen, hat er sich einfach umgedreht und mich stehen lassen.
»Komm rein, Amy«, begrüßt mich Jessicas Mom, als sie mir die Wohnungstür aufmacht. »Jessica ist in ihrem Zimmer.«
Ich gehe das vertraute weißgetünchte Treppenhaus hoch und finde Jessica am Schreibtisch, wie sie die Tastatur ihres Computers bearbeitet. »Du checkst doch nicht schon wieder Mitchs Mails, oder?«
Ohne mich anzusehen, antwortet sie: »Aber hallo. Er hat keine Ahnung davon. Ich schaue sie an und markiere sie hinterher als ungelesen.«
»Jess, mach mit ihm Schluss, wenn du ihm nicht vertraust.«
Jess schwenkt auf ihrem Stuhl herum und sieht mich an. »An Silvester hat er mir gesagt, dass er mich liebt, Amy. Nach IHM hat mir das sonst keiner mehr gesagt.«
ER ist Michael Greenberg, an den Jessica letztes Jahr ihre Unschuld verloren hat. Direkt nach ihrer großen gemeinsamen Nacht hat er sie abgesägt, und seitdem ist sie verunsichert, was Jungs angeht. Nicht mal mir, ihrer allerbesten Freundin von der Welt, hat sie erzählt, was genau mit Michael passiert ist. Man darf nicht mal seinen Namen erwähnen, sonst rennt sie aus dem Zimmer.
»Dass er dich liebt – hat er dir das in der Hitze der Leidenschaft gesagt?«
»Seine Hände waren unter meinem Shirt.«
Okay, ich werde jetzt nicht das Offensichtliche aussprechen. Das ist die alte »Ich liebe dich, lass es uns miteinander machen«-Nummer. Ich sehe Jessica an und weiß, dass sie das Thema nicht vertiefen möchte.
Ich werfe einen Blick in ihren Kleiderschrank, um zu schauen, ob sie irgendwelche neue Klamotten hat, die ich mir ausleihen könnte, und ziehe ein graues Vintage-Shirt mit pinkfarbener Schrift heraus. »Wo hast du das her?«
»Keine Ahnung. Mom hat’s mir mitgebracht.«
»Es ist cool.« Wie immer benehme ich mich, als wäre ich hier zu Hause. Beste Freundinnen teilen schließlich fast alles: Klamotten, Geheimnisse und Schönheitstricks. Wie es aussieht, teilen wir sogar Jungs, denn ich bin mal den Bruchteil einer Sekunde mit Mitch gegangen, bevor er mit Jessica zusammenkam. Ich ziehe mein eigenes Shirt aus und probiere ihr graues an. Es passt – bis ich in den großen Spiegel an der Innenseite ihrer Tür schaue und feststelle, dass meine Brustwarzen gut sichtbar sind, weil der Stoff zu dünn ist.
Deprimiert ziehe ich das Shirt aus und betrachte meine in den BH verpackten Brüste im Spiegel.
»Was wird das?«, fragt Jess.
Ich lasse die Arme hängen und sehe auf meinen pinkfarbenen Spitzen-BH hinab. »Sag mal, habe ich in dem BH Hängebrüste?« Um zu testen, wie es aussehen würde, wenn sie mehr stehen würden, lege ich die Hände wie eine Schale darunter und drücke sie hoch.
»Zu nah am Kinn.« Jess seufzt frustriert. »Ich wünschte, ich hätte deine Brüste. Die Jungs lieben deine Brüste.«
»Sie hängen«, sage ich und lasse sie wieder los.
»Wie soll es auch anders sein, sie wiegen … jede über zwei Kilo?«
Zu eurer Information: Ich habe sie noch nie gewogen. Und ich bin sicher, dass sie nicht mehr als je ein Kilo auf die Waage bringen. Ich sehe meine beste Freundin an. »Jess, du hast perfekte Brüste. So schön fest.«
»Auch bekannt als mehr oder minder nicht vorhanden«, meint Jess. »Sie machen nur eine gute Figur, weil ich mir letzte Woche einen Wonderbra gekauft habe. Schau.« Sie zieht ihr Shirt hoch, um mir ihren Push-up zu zeigen, der dicker gefüttert ist als der Daunenmantel meiner Mom. »So was brauche ich, damit der Eindruck entsteht, da wäre was.«
Die Tür zu Jessicas Zimmer fliegt auf. Es ist Ben, ihr zwölfjähriger nerviger Bruder mit Testosteronüberschuss. Beim Anblick unserer BHs bekommt er große Augen. Kreischend halte ich mir die Hände vor die Brust.
»Raus, du kleiner Spanner!«, schreit Jessica und zieht ihr Shirt runter.
»Vergleicht ihr eure Dinger?«, fragt Ben und lacht. »Amy, sind die echt?«
Jessica und ich schnappen uns Kissen von ihrem Bett und schleudern sie in Richtung Tür, die Ben hinter sich zuschmettert.
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