Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
fragt sie hoffnungsvoll. »Wo ist er?
»Mit Freunden im Kino.«
»Ich habe heute schon mit ihm telefoniert. Da hat er nichts von Kino gesagt. Seit wann kann ich nicht mit, wenn er mit Freunden einen Film schaut?«
Ich zucke die Schultern. Ich werde nicht mal aus meinem eigenen Freund schlau. Wie soll ich dann ihren verstehen?
Später, als ich im Bett liege, gehen mir all die Versprechen durch den Kopf, die ich vergessen habe, Avi abzunehmen. Vielleicht ist es illusorisch zu glauben, er würde auf mich warten, bis ich wieder nach Israel zurückkomme. Wenn er nicht an mich denkt, warum hänge ich dann so an ihm?
11
»Wenn eine Frau niederkommt und einen Knaben gebiert, ist sie sieben Tage unrein …
Wenn sie ein Mädchen gebiert, ist sie zwei Wochen unrein.« (Levitikus 12,2-5)
Hmm … heißt das, dass Jungen irgendwie sauberer sein sollen als Mädchen?
Hat Gott in letzter Zeit mal einen Blick in die Jungstoilette der Chicago Academy geworfen?
»Weißt du, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?«
Es ist Sonntag und ich bin draußen in den Vororten bei meiner Mom. Wir sitzen im Auto und sind auf dem Weg zu einem Laden mit Umstandsmode. Sie hat sich so auf diesen kleinen Ausflug gefreut, dass ich nicht Nein sagen konnte.
Meine Mom streichelt mit der Hand über die Beule, die sich aus ihrem Bauch wölbt, wie eine Schwangere in einem schlechten Film. »Wir wollen uns überraschen lassen.«
»Und wenn es Zwillinge werden?«, frage ich.
Sie lächelt mich an und ein Netz feiner Fältchen kräuselt sich um ihre grünen Augen. Ist sie nicht zu alt für ein Baby? »Man hat nur einen Herzschlag gehört. Keine zwei.«
Der Termin ist erst in sechs Monaten und der Bauch meiner Mom sieht bereits wie eine kleine Bowlingkugel aus. Nicht zu fassen, dass mir das nicht schon früher aufgefallen ist. Vielleicht hat sie versucht, es unter diesen Ponchos zu verbergen, auf die sie in letzter Zeit so abfährt. Als wir vor einem Laden namens Die moderne Mutter anhalten, komme ich mir komisch vor. Ich bin siebzehn. Ich könnte selbst Mutter werden.
»Marc und ich wünschen uns beide, dass du an dieser Schwangerschaft teilhast«, sagt sie. »Das ist uns wichtig.«
Meine Mom ist keine Jüdin, aber diese jüdische Schlechtes-Gewissen-Nummer hat sie eins a drauf.
Ich setze ein extrabreites Lächeln auf. Wahrscheinlich ist es absolut übertrieben, aber ich möchte, dass meine Mom glücklich ist. »Ich freue mich so für euch«, sage ich und strahle sie an. »Und ich wünsche mir ebenfalls, zu dieser neuen Familie dazugehören!«
»Amy, ich bin deine Mutter. Ich kann in dir lesen wie in einem Buch.«
Wir sitzen noch immer im Wagen. Innerhalb von Sekunden wandelt sich die Euphorie auf ihrem Gesicht zu Traurigkeit. Oh nein. Ich muss schnell was sagen, ehe sie anfängt zu weinen. »Mom, ich freue mich wirklich für dich und Marc. Es fühlt sich für mich nur ein bisschen seltsam an. Erst die Hochzeit, jetzt das Baby. Daran muss ich mich erst gewöhnen.«
Mir kommt wieder in den Sinn, wie mich meine Mom zu meiner ersten Ballettstunde gebracht hat. Ich hatte gebettelt, dass sie mich in Miss Gerties Tanzstudio anmeldet, wo Jessica bereits Ballettunterricht hatte. Meine Mom hat den happigen Beitrag gezahlt, mir Schläppchen und ein süßes Trikot gekauft und los ging’s. Es gab nur ein Problem: Ich habe mich geweigert, das Studio zu betreten. Aus unerfindlichen Gründen (die ich nicht mal selbst kapiert habe) habe ich im Auto in einer Tour geheult, meine Mom musste mich in die Tanzschule zerren, während ich schrie wie am Spieß und um mich trat.
Sie hat mich gezwungen hinzugehen.
Da saß ich dann die ganze Zeit in einer Ecke des Studios, habe auf Vergeltung gesonnen und mich geweigert, auch nur einen meiner rosa Balletschläppchen-Füße zu rühren. So ging das Woche für Woche, bis die Kostüme für die Aufführung kamen. Mein Kurs hatte einen Tanz auf das Lied »Die fleißigen Summsebienchen« einstudiert. Wir waren kleine Bienen und trugen schwarze federnde Glitzerfühler und Trikots, die mit gelben und schwarzen Glitzerpailletten besetzt waren. Was soll ich sagen – bei so viel Glitzer wird aus jedem noch so unwilligen Kind im Handumdrehen eine Ballerina, die es gar nicht erwarten kann, die Bühne zu betreten. An dem Tag, als diese Kostüme hereingetragen wurden, verließ ich meinen Schmollwinkel und tanzte und summte umher, als müsse ich die verlorene Zeit hereinholen.
Eines haben mich diese Ballettstunden gelehrt: Meine Mom
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