Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
vorgeht.
»Ich werde versuchen, diese Woche bei meinem Job kürzerzutreten, damit wir ein bisschen Sightseeing machen können.«
»Ich brauche kein Sightseeing, Amy.«
Er muss nicht sagen, dass er nur meinetwegen hier ist. Dass er den ganzen weiten Weg auf sich genommen hat, um eine Woche in Chicago zu verbringen, ist schmeichelhaft und überwältigend zugleich.
Am Perk Me Up! -Tresen stelle ich Marla Avi vor. Marla lächelt breit und stellt die Tasse ab, die sie gerade hält, um ihm die Hand zu geben. Dann kichert sie – das tut sie sonst nie.
Damals, als ich Avi kennengelernt habe, habe ich eine ziemlich schwierige, seltsame Phase durchgemacht. Genauer gesagt war ich absolut contra. Avi ist der einzige Junge, der mich je herausgefordert hat. Er hat den Kampf lang genug durchgehalten, um es auszufechten … mental, natürlich. Er ist innerlich genauso stark wie äußerlich.
Ich kümmere mich um die Kunden. Avi setzt sich auf einen der großen, bequemen Stühle und wartet. Mit verschränkten Armen lehnt er sich zurück, und ich kann noch immer nicht fassen, dass er wirklich hier ist, während ich fettreduzierte Vanille-Lattes zubereite, statt Zeit mit ihm zu verbringen.
In jeder freien Sekunde sehe ich zu ihm hinüber, und als gerade kein anderer Gast im Café ist, frage ich Marla, ob ich mein Lieblingsgetränk, eine heiße Schokolade, für ihn machen darf.
»Du hast mir gar nicht erzählt, dass er zu Besuch kommt«, flüstert Marla, während ich das Getränk anrühre.
»Tja, ich wusste es auch nicht. Aber mein Dad schon«, informiere ich sie und verpasse dem Kakao dabei eine Haube aus einer dreifachen Portion Schlagsahne mit Vanillegeschmack.
»Und er hat vergessen, es dir zu sagen?«
»Ich denke mal, sie wollten mich überraschen.« Meinem Dad muss ich auch noch sagen, dass ich Überraschungen hasse. Überraschungen sind, wie mitten im Unterricht seine Tage zu kriegen. Zuerst ist man schockiert und durcheinander, dann ist es einem peinlich, und man muss damit klarkommen, dass einen alle angaffen. Ich bin so schon unsicher genug – da brauche ich nicht noch Überraschungen, um noch deutlicher zu spüren, wie die Leute mich anglotzen.
Marla hält mir einen Becherhalter hin, damit ich den perfekt zubereiteten heißen Kakao hineinstellen kann. »Ich wäre gerne wieder so alt wie du«, sagt sie mit einem wehmütigen Lächeln auf dem Gesicht. »Jungs, Schule, Freunde. Genieße es, ehe du erwachsen wirst und auf einmal mehr Verantwortung tragen musst, als du dir hast träumen lassen.«
Ich habe jetzt schon das Gefühl, mehr Verantwortung zu tragen, als mir lieb ist. Und dabei bin ich erst siebzehn.
Mit dem Spezialdrink in der Hand gehe ich zu Avi hinüber, als die Tür des Perk Me Up! aufgeht. Es ist Jessica.
»Ich hab gehört, was heute im Hundepark passiert ist. Amy, ist alles in Ordnung?« Ihr Haar ist braun und glatt wie Schnittlauch, und ihre Augen wirken dunkler als sonst, weil sie ein schwarzes Oberteil trägt. Sie braucht eine Sekunde, bis sie den Typ auf dem Stuhl richtig wahrnimmt, aber dann quiekt sie leise auf: »Avi?«, und zeigt wie ein kleines Kind mit dem Finger auf ihn.
Avi steht auf und ich räuspere mich. »Jessica, das ist Avi. Avi, das ist meine beste Freundin Jessica.«
»Nenn mich Jess«, sagt sie und strahlt ihn so an, dass man meinen könnte, ihre Wangen platzen gleich. Ihre Lippen dehnen sich so breit, dass sie mich an diese Gummifrau aus dem Animationsfilm erinnert.
»Warum hast du mir nichts davon gesagt, dass er kommt?«, wispert sie mir möglichst unauffällig zu, ohne den Mund zu bewegen, obwohl Avi jedes Wort hören kann. Ach nee! Er steht ja auch direkt neben uns.
»Ich hab es nicht gewusst«, erwidere ich. »Es war eine Überraschung.«
»Oh.«
Jess weiß, dass ich Überraschungen verabscheue, daher ihr verständnisvolles »Oh«.
»Was ist heute im Hundepark passiert?«, fragt Avi.
Ich wollte ihm eigentlich nichts vom dem Desaster erzählen, also stammle ich nur: »Ähm …«
»Köter hat eine Hündin besprungen und sie vor aller Augen geschwängert«, platzt Jess heraus. »Der Besitzer der Hündin war kurz davor, die Cops zu rufen.«
»So wild war’s auch wieder nicht«, murmle ich, um dem Ganzen die Dramatik zu nehmen. Na ja, ich tue wenigstens so, als wäre es keine große Sache. Dabei ist es sehr wohl ein Drama, und mein Dad wird mich killen, wenn er erfährt, dass Princess’ »Schoß befleckt« ist wegen meinem Hund. Und weil er in ein paar Monaten
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