Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
geküsst, Avi. Das würde ich ja wohl kaum, wenn ich auf ihn stehen würde.«
»Du wolltest ihn eifersüchtig machen«, sagt er nüchtern.
»Wollte ich gar nicht. Außerdem bist du doch derjenige, der sich auf keine feste Beziehung einlassen wollte. Das hast du mir letzten Sommer klipp und klar gesagt. Keine Verpflichtungen. Kein ›mein Freund/meine Freundin‹-Zeugs. Weißt du, was ich zu meinen Freunden sage? Dass du mein Nicht -Freund bist. Hast du eine Ahnung, wie sich das für mich anfühlt? Nein? Dann sag ich’s dir, Mr Cooler-Israeli. Es ist ein beschissenes Gefühl, als wäre ich es nicht wert, dass man Zeit und Mühe in eine richtige Beziehung mit mir investiert.«
Ich schlucke, was mir schwerfällt, weil ich plötzlich einen Kloß im Hals habe. Meistens versuche ich, meine Gefühle tief in meinem Inneren zu verschließen, weit weg von der Oberfläche. Dass sie jetzt hochkommen, kotzt mich an, und dann auch noch vor Avi. Gerade bei ihm will ich mich nicht so von meinen Emotionen davontragen lassen, weil ich weiß, dass das auf ihn eine abschreckende Wirkung hat.
Er versucht, mich an sich zu ziehen, aber ich schlage seine Hand weg. Ich will nicht sein Mitleid, ich will seine Liebe.
Und am schlimmsten ist, dass ich nicht glaube, dass er mir die geben kann. Gott weiß, dass er es nie aussprechen würde.
»Ich weiß nicht, was du willst«, sagt er jetzt völlig frustriert. »Amy, es tut mir leid. Ich dachte, wir hätten das alles geklärt.«
»Tja, anscheinend nicht. Warum bist du hergekommen? Nur, um mein Leben auf den Kopf zu stellen?«
»Nein«, sagt er und zieht mich an seine Brust. Und diesmal lässt er sich nicht wegschieben. Während er mich fest an sich drückt, flüstert er in meine Haare: »Ich habe die grundlegende Gefechtsausbildung abgeschlossen und werde jetzt einer speziellen Kampfeinheit zugeordnet. Die IDF verfolgen einen neuen Ansatz in der Terrorismus-Bekämpfung. Man wird uns dort beibringen, wie der Feind zu denken und zu handeln – wie der Feind zu sein.« Er holt tief Luft. »Ich weiß nicht, ob ich die Genehmigung kriege, dich zu sehen, wenn du im Sommer zu Besuch kommst.«
20
Jakob hatte zwölf Söhne. Aus ihnen gingen die zwölf Stämme Israels hervor (Genesis 49,1-27) .
Ich frage mich, welchem Stamm meine Vorfahren wohl angehören. Aber so weit lassen sich die Geburtsdaten im Internet bestimmt nicht zurückverfolgen.
Es dauert ein paar Minuten, bis bei mir einsickert, was Avi da gerade gesagt hat. Spezialisierte Kampfeinheit. Der Feind sein. Ich löse mich von ihm und sehe ihm in die Augen. »Es war abgemacht, dass wir uns nächsten Sommer sehen, wenn ich zu Besuch komme. Du hast es mir versprochen.«
»Ich habe dafür jetzt freibekommen.«
»Wo bist du im Sommer stationiert?«
Avi schenkt mir ein kleines Lächeln. »Ich werde viel unterwegs sein.«
»Im Nahen Osten?«, frage ich.
»Ja. Und in Europa.«
»Das passt mir nicht«, murre ich. »Überhaupt gar nicht.« Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass wir uns besser Richtung Rosebud bewegen sollten, damit sich mein Vater keine Sorgen macht. »Mein Dad führt uns ins Restaurant aus«, erkläre ich Avi und laufe wieder los. Doch ich fühle mich, als wäre ich in Trance.
Avi nimmt wieder seinen Platz neben mir ein. »Bist du wütend auf mich?«, fragt er.
»Japp.« Total wütend. Stinksauer. Mir schwirren lauter so Bilder durch den Kopf, von Männern, die gefangen genommen, gefoltert und verstümmelt werden. Was da draußen in der Welt abgeht, ist unmenschlich. Mir gefällt mein Leben hier in Chicago – es ist so sicher, wie man in einer großen Stadt nur sein kann.
Den Rest des Weges zum Rosebud gehen wir schweigend. Dad ist bereits da und wartet an einem der Tische auf uns. Er winkt uns zu und steht auf, um Avi die Hand zu schütteln und ihm auf den Rücken zu klopfen. Weiß mein Dad Bescheid? Hat er auch nur den Hauch einer Ahnung, dass Avi dabei ist, sein Leben für Israel zu riskieren so wie er in Avis Alter?
Ich verdrehe die Augen, als sie sofort auf Hebräisch losreden und in einem Affentempo seltsame Wörter und Laute aus ihren Mündern sprudeln. Mein Handy vibriert. Eine SMS. Ich lese sie unter dem Tisch.
Jess: Wohin seid ihr abgehauen?
Ich: Abendessen.
Jess: Alles klar mit Avi?
Ich: Japp.
Jess: Weiß er, dass du Nathan geXOXOt hast?
Ich: NEIN!!!!!!!!!!!!!!!!
Die Bedienung kommt an unseren Tisch, aber die zwei Männer kriegen es nicht mal mit.
»Ich nehme eine Cola«, sage ich. »Ohne Eis. Ohne
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