Zwischen uns die Zeit (German Edition)
vielleicht, dass ich jedes Jahr mit meinem Kurs einen Wettbewerb veranstalte, für den es einen kleinen Preis zu gewinnen gibt.«
Ein paar von uns nicken.
» Sehr schön«, sagt er strahlend. » Und was noch schöner ist– dieses Jahr ist der Preis alles andere als klein!« Er geht nach vorne zur Tafel und zieht schwungvoll eine Landkarte von Mexiko herunter. » Aber bevor ich Ihnen verrate, wie dieser Preis aussieht, erkläre ich die Aufgabe. Ich möchte, dass Sie eine zweiwöchige Reise quer durch Mexiko planen. Sie fliegen vom O’Hare International Airport in Chicago ab und dürfen landen, wo Sie wollen. Von dort aus organisieren Sie dann eine Rundreise, bei der Sie so viel von Mexiko sehen, wie es in vierzehn Tagen zu schaffen ist. Sie schreiben mir einen schönen Reiseplan mit ein paar Sätzen zu den einzelnen Zielorten– natürlich alles auf Spanisch–, und wer den interessantesten und finanziell am vernünftigsten kalkulierten Plan abliefert, bekommt den Preis.« Er sieht uns erwartungsvoll an. » Was ist, amigos? Klingt das gut?«
Zwanzig Köpfe nicken gleichzeitig.
» Bueno. Die Reisepläne müssen nächsten Montag eingereicht werden. Sie haben also eine Woche Zeit.« Er dreht uns den Rücken zu und beginnt unregelmäßige Verben an die Tafel zu schreiben.
Im Klassenraum herrscht Stille. Wir sehen uns an. Irgendwann räuspert sich Alex und hebt die Hand.
Argotta dreht sich grinsend um. » Ach so, ja.« Er schlägt sich an die Stirn. » Ich wette…«, sagt er und zieht jedes Wort in die Länge, » …Sie wollen wissen, was für einen Preis der Gewinner bekommt, stimmt’s?«
Alex lässt die Hand wieder sinken.
» Na gut.« Argotta macht eine Pause, um die Spannung noch mehr zu steigern. » Ich habe einen guten Freund, der für eine große Fluggesellschaft arbeitet. Diesem guten Freund habe ich von meinem Wettbewerb erzählt, und da kam er auf die Idee, dass seine Fluggesellschaft den Preis stiften könnte. Und zwar…«, er holt tief Luft, » einen Reisegutschein über fünfhundert Dollar.«
Mein Blick wandert automatisch zu Bennett, der aber nur gezwungen lächelt und schnell wegschaut.
» Was sagen Sie dazu?« Argotta sieht uns mit hochgezogenen Brauen an. » Gibt es hier jemanden, der einen 500-Dollar-Reisegutschein gebrauchen könnte?«
Gebrauchen könnte ihn bestimmt jeder, aber ich wette, ich bin die Einzige, die davon überzeugt ist, dass er ihr Leben verändern würde.
***
In der Abteilung für Reiseliteratur stehe ich gebückt vor einem Regal, an dem ein Schild mit der Aufschrift » Mexiko« befestigt ist, und entziffere mit schräg gelegtem Kopf die Buchrücken. Der Laden ist leer und in Anbetracht des heftigen Sturms, der schon den ganzen Nachmittag draußen tobt, wird er es wohl auch bleiben– was mir allerdings ganz recht so ist, ich habe nämlich eine Reise vorzubereiten.
Nach kurzem Überlegen nehme ich den Lonely Planet: Mexico und noch zwei andere dicke Reiseführer aus dem Regal. Der Michelin Green Guide sieht ebenfalls interessant aus. Als Nächstes ziehe ich ein dünnes Büchlein heraus, das sich zu einer großen Straßenkarte aufklappen lässt, und packe noch verschiedene andere Reiseführer obendrauf, die alle unterschiedliche Schwerpunkte haben, sodass ich genügend Material für meine Routenplanung habe. Ich setze mich im Lotussitz auf den Boden, starre auf den Bücherturm und das aufgeschlagen vor mir liegende Ringbuch und beschließe, dass ich jetzt erst einmal einen heißen Latte brauche.
Nachdem ich mir meine Jacke übergeworfen habe, hänge ich das » Geschlossen«-Schild in die Tür und schließe hinter mir ab. Draußen herrscht dichtes Schneegestöber, und es ist bereits dunkel, obwohl es erst sechs Uhr ist. Kaum zu glauben, dass schon in gut zwei Monaten die Sommerferien beginnen. Das Wetter spielt dieses Jahr wirklich total verrückt.
Zehn Minuten später kehre ich mit einem dampfenden Kaffeebecher in den Laden zurück, setze mich an meinen Platz und beginne die Bücher in kleinere Stapel aufzuteilen. Ich habe beschlossen, eine Rundreise zu planen, die den Besuch archäologischer Stätten vorsieht, aber auch genügend Raum für Strandausflüge lässt. Wenigstens in meiner Fantasie will ich durch weißen Sand laufen und im Meer schwimmen. Ich teile die Seite im Ringbuch mit einem Längsstrich in zwei Spalten und mache mich daran, eine Liste zu erstellen.
Die linke Spalte füllt sich schnell– die Maya-Ruinen von Tulum, Chichén Itzá und Uxmal muss man
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