Zwischen uns (German Edition)
der Kellner mit kaum verhohlener Verachtung vor sich hin starrte. „Welchen würdest du gern trinken?“
Ich kannte mich mit Wein nicht sonderlich aus, aber ihre Blicke waren erwartungsvoll auf mich gerichtet. „Was immer ihr auch mögt, schätz ich mal.“
„Charlie“, sagte Meredith mit leichter Schärfe in der Stimme. „Bestell den Merlot.“
Er sah sie an. „Also schön. Wir nehmen den Merlot.“
Es sollte die einzige unangenehme Situation während des Essens bleiben. Den Rest der Zeit lachten wir drei miteinander und waren wie die besten Freunde. Charlie hatte einen großartigen Sinn für Humor und war das, was meine Mutter immer ein „kluges Köpfchen“ genannt hatte. Und er war einfach süß - er sorgte immer dafür, dass unsere Gläser gefüllt waren und es uns an nichts fehlte.
„Erzähl Charlie von deinen Sommerabenteuern“, bat Meredith mich, als der Kellner uns den Nachtisch brachte.
„Oh. Meine ‚Sommerabenteuer‘.“ Ich hielt inne, meine Gabel schwebte über dem Schokoladenkuchen auf meinem Teller. „Von welchem soll ich ihm denn erzählen?“
„Egal. Er wird fasziniert sein“, sagte Meredith.
Charlie lächelte. „Werde ich das?“
„Ich habe viele Sommer in einer Kommune verbracht.“ Ich stocherte mit der Gabel auf dem Schokoguss meines Kuchens herum, kratzte aber nichts davon ab. „Meine Eltern unterrichteten beide am Franklin and Marshall College. Sie waren Mitinhaber eines großen Geländes in Upstate New York, das ‚Compound‘ genannt wurde. Ein echtes Überbleibsel aus den Sechzigern, auch wenn das meiste erst in den Siebzigern gebaut worden war. Es war sehr … hmmm … also …“
Was sollte ich über das Compound sagen? Meine Erlebnisse schienen mir nie sonderlich interessant, spannend oder verrückt zu sein. Zumindest, bis ich das erste Mal Meredith davon erzählt hatte …
„Kreativ“, sagte ich schließlich. „Meine Eltern und ihre Freunde waren kreativ.“
„Sie haben dich Tesla genannt“, sagte Charlie. „Also hab ich mir das schon gedacht.“
Ich lachte. „Ja. Nach Nikola Tesla, nicht nach der Heavy Metal Band.“
„Was?“ Meredith sah von ihrer Crème Brûlée auf. „Ich dachte, nach der Band.“
„Nein. Nikola Tesla, Erfinder des Zweiphasenwechselstroms.“ Ich hob meine schwer mit Kuchen und Sahne beladene Gabel. „Aber ich hab nochmal Glück gehabt. Mein Bruder heißt Captain, und ihr werdet nie erraten, nach wem er benannt wurde.“
„Captain America“, sagte Charlie.
„Schön wär‘s. Nein. Captain Ahab.“ Ich kicherte und schüttelte den Kopf. „Er wird Cap genannt. Und solltet ihr ihn je nach seinem eigentlichen Namen fragen - er würde es abstreiten. Er hört zwar auf den Namen Captain, aber er würde euch nie das mit Ahab erzählen. Er hält unsere Eltern für Vollidioten.“
„Wow. Also dieser ‚Compound-Ort‘. Der war voll mit was? Hippies?“ Charlie goss heißes Wasser über den Teebeutel in meiner Tasse. Er und ich tranken Tee, Meredith Kaffee.
„Althippies. Von der allerschlimmsten Sorte. In den 60ern waren sie noch zu jung, um an der Hippie-Bewegung teilzuhaben. Deshalb mussten sie ihre Fantasien nun während der Sommerferien ausleben.“ Ich schwieg. Das hatte bitterer geklungen, als es gemeint war. „Sie bauten ihr eigenes Obst und Gemüse an. Lebten zusammen, mit gemeinsamen Finanzen und so - zumindest während dieser drei Monate.“
Ich erwähnte die anderen kommunalen Sachen nicht, wie die Krippe für Babys und Kleinkinder, die dort betreut wurden, während die Eltern ihren täglichen Pflichten nachkamen. Die gemeinsamen Schlafräume für Teenies, wo wir ermuntert wurden, uns selbst „zu entdecken“ … auf Arten und Weisen, die „normale“ Eltern aktiv zu verhindern versuchten. Drogen und Alkohol, aber nichts Hartes. Vor allem Bier und Gras. Ich erwähnte auch nicht, wie die Erwachsenen dort lebten. Wie sie Paare und Gruppen bildeten, unabhängig von Ehebündnissen. Sie bezeichneten sich nicht als Swinger, sondern nannten ihr Konzept „Freie Liebe“.
„Hört sich faszinierend an“, sagte Charlie.
„Hab ich dir doch gesagt!“ Meredith fuchtelte mit ihrer Gabel in der Luft herum.
Als ich noch jünger war, dachte ich, es wäre toll. Wie die Sommercamps, von denen vieler meiner Freunde sprachen, auch wenn meine Eltern immer sehr deutlich gemacht hatten, dass wir über das, was wir dort erlebten, nicht reden sollten. Was wir in unseren Sommerferien machten, fiel unter die Kategorie „Sachen,
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