Zwischen Vernunft und purem Verlangen

Gold wert. Wenn Max ihn nicht bald seiner Familie vorstellte, dann würde Evie das übernehmen, hatte sie sich vorgenommen.
    Wenigstens war es Logan gelungen, an vier Wochenenden nach Sydney zu kommen. An dem fünften Wochenende hatte Evie Arbeit Arbeit sein lassen und hatte Logan in Perth besucht. Er hatte dort eine Wohnung gekauft. Sie war geräumig und hochklassig eingerichtet, aber sie war kein Zuhause.
    In der ganzen Wohnung befand sich nicht ein persönlicher Gegenstand von Logan. Die Wohnung glich eher einer Hotelsuite als einem Zuhause. Irgendwo musste Logan doch ein Haus haben, in das er sich flüchtete, wenn er mal die Batterien aufladen wollte, oder?
    Immerhin hatten sie Sex in allen Variationen.
    Und dann war da natürlich die Arbeit. Logan kannte sich mit Evies Job besser aus, als sie sich mit seinem. Max hatte Logan um Rat gebeten, als es um die Expandierung der Firma ging. Natürlich hatte sein Bruder ihn beraten, allerdings nicht ohne den Hinweis, dass er sich besser damit auskannte, Unternehmen in ihre Einzelteile zu zerlegen, als sie auf Expansionskurs zu bringen. Ihm war es zu verdanken, dass die Firmenstruktur schlank und flexibel blieb. Evie war sehr dankbar für Logans Ratschläge.
    Wenn sich dadurch leider auch ihr Liebesleben mit ihrer Arbeit vermischte, denn Logan war ja nun mal Max’ Bruder. Das Verhältnis der beiden Brüder zueinander wurde immer enger, sehr zu Evies Freude. Sie hoffte nur, dass sie nicht eines Tages aufwachte und Logan verloren hatte und mit ihm alles, woran ihr Herz hing.
    Das wäre der Nachteil dieser engen Verflechtung von Privat- und Arbeitsleben. Logan hatte bisher auch nie ein Wort darüber verloren, wie es mit ihrer Beziehung weitergehen sollte. Dieser Umstand verunsicherte Evie zunehmend. Das machte sich durch Sprunghaftigkeit bemerkbar, und Kritik konnte sie gar nicht mehr vertragen. Außerdem litt sie unter ständigem Stimmungsumschwung.
    Wenn Logan bei ihr war, konnte das Leben nicht schöner sein.
    Dann verschwand er jedoch wieder ohne viel Tamtam, und Evie wusste nie, wann sie ihn wiedersehen würde.
    Natürlich hatte sie von Anfang an gewusst, dass es so und nicht anders sein würde. Aber die Ungewissheit begann an ihren Nerven zu nagen. Der Weg, den sie gemeinsam beschritten hatten, war kein leichter. Irgendwann zu Beginn ihrer Beziehung hatte Evie Logan versprochen, ihm den richtigen Weg aufzuzeigen.
    Schöne Worte.
    Und wo blieb der gesunde Menschenverstand?
    „Ignoriert dich dein Liebster noch immer?“, fragte Kit, als sie das Gerüst in Evies Wohnzimmer abgebaut hatten und er sein Werkzeug verstaute. Kopfschüttelnd betrachtete er die blutrote Zimmerdecke.
    „Ist super geworden, oder?“, fragte Evie.
    „Kann man nicht anders sagen“, gab Kit zu.
    In den vergangenen zwei Wochen hatte er sich immer mal wieder bei Evie blicken lassen, um ihr zu helfen. Evie fand ihn sehr sympathisch und konnte nicht verstehen, wieso Max sich nicht längst zu ihm bekannt hatte.
    „Sag schon! Wann hat er sich zuletzt an deine Existenz erinnert?“ Kit ließ nicht locker.
    „Vor drei Wochen.“ Drei lange Wochen waren seit Logans letztem Besuch vergangen!
    „O Mann!“ Kit stellte den schweren Werkzeugkoffer neben der Haustür ab und folgte Evie in die Küche. „Und wie lange lässt du dir das noch bieten?“
    „Du hast es gerade nötig, Kit. Dein Freund steht ja nicht einmal zu dir.“
    „Das kann man nicht vergleichen“, behauptete Kit, beeindruckend selbstgefällig.
    „Schon klar. Max ist ja auch ein ganz besonderes Schneeflöckchen“, grummelte Evie, öffnete den Kühlschrank, griff nach einer Flasche Bier und hielt sie Kit hin. Der nahm sie dankend an und lehnte sich entspannt an den Küchentresen. Mit dem blonden Haar und den strahlendblauen Augen hatte er Ähnlichkeit mit einem Engel.
    „Max hat eine Menge zu bedenken“, erklärte Kit. „So ein Outing ist nie einfach. Er muss an Kunden, Arbeitskollegen und seine Familie denken. Wie werden sie darauf reagieren? Und welche Entschuldigung hat Logan? Er ruft dich ja nicht einmal an.“
    „Er ist eben ein viel beschäftigter Mann.“
    „Kein Mensch ist so beschäftigt, dass er sich nicht bei seiner Freundin melden kann, Evie. Ich habe den Eindruck, es geht hier um Machtspiele.“
    „Nein, es geht darum, dass er sicher sein will, seine Gefühle unter Kontrolle zu haben. Er will beweisen, dass er nicht besessen ist von mir, oder zu viel von mir verlangt oder …“
    … in dich verliebt ist“, schlug