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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Straeter
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Süden. Alsdann: auf die Räder.
Gestern hörten wir erneut eine Sturmwarnung für die Schiffahrt: Vom Hook Head
bei Arthur’s Town im Südosten bis zum Loop Head, 60 Kilometer südlich vor uns,
scheint es wieder kräftig zu wehen. Der Wind wird die Strecke schneller
schaffen als wir.
    Auf die
Räder.
    Wir fahren
eine schmale Nationalstraße mit wenig Verkehr. Einige kurze Steigungen, die gut
zu packen sind, dann lange, gerade Abschnitte. Vorbei an rosa angestrichenen
Wohnhäusern, rosa angestrichenen Bauernkaten, rosa angestrichenen
Pferdeställen, rosa angestrichenen Hundehütten. Die rosa Strecke nennen wir
später dieses Stück Richtung Kilkee.
    Doch dann
geraten wir auf frischen Rauhasphalt, zum Teil mit losem Split. Die Steinchen
knallen unter die Schutzbleche, spritzen zur Seite weg, die Reifen müssen viel
aushalten. Da nützt auch eins der häuflgsten Hinweisschilder Irlands nichts:
    ‘Slow! Loose Chippings. 20 M.p.H.!’
    Langsam!
Loser Split. 20 Meilen pro Stunde!
    Unsere
Geschwindigkeit bleibt weit unter dem angegebenen Maximum, geht langsam gegen
Null. Wir erreichen die Stelle, an der im Augenblick gearbeitet wird. Die
Straßenarbeiter grüßen, selbst der Walzenfahrer winkt uns generös zu, fährt in
der Mitte der Straße, um uns vorbeizulassen. Vor diesem Wink sind wir
vorsichtig hinter ihm geblieben, die loose Chippings sehen sehr plattgewalzt aus.
    Ob hier die
Grundlage für de Selby’s Theorie der Straßenrichtungen und für unsere
Schlaglochtheorie gelegt wird? Vielleicht liegt es an den Radfahrern, die
vorbeigelassen werden, je nachdem auf welcher Seite. Dort wird einmal weniger
gewalzt.
    »Dieses
Stück zwischen Lahinch und Kilkee müssen wir später einmal überprüfen !« rufe ich Ilse zu.
    »Was !« , schreit die, »nochmal zurück?«
    »Ja, dieses
Straßenstück müßte demnächst auf beiden Seiten Schlaglöcher haben, weil die
Dampfwalze unseretwegen einmal mehr nur in der Mitte gefahren ist .«
     
    Rechterhand
sehen wir das dunkelblau wirkende Meer, links öffnet sich ein weiter Blick über
dunkelgrünes Land, Wiesen, Feld er, Häuser, Kühe; in der Ferne Berge,
wolkenverhangen.
    An Miltown
Malbay, dem berühmten Musikerort, vorbei kommen wir nach Doonbeg am Doonbeg.
Dieser Ort erlangte seine bis heute verborgen gebliebene Berühmtheit durch zwei
Radfahrer, die zusammen mit einem Hund auf einer Parkbank am Fluß Pause
machten: Two peoples and a dog on a bench.
    Es nieselt
leicht, uns fröstelt; sobald wir Pause machen, kühlen wir aus, der Schweiß
klebt kalt am Körper. Wo bleibt eigentlich das Begleitpersonal mit den dicken
Frottee-Mänteln?
    Das
Begleitpersonal taucht nicht auf, so sitzen wir auf einer Parkbank in Doonbeg
am Doonbeg, und ein herrenloser Hund gesellt sich zu uns, setzt sich neben mich
auf die Bank und legt mir die Pfoten um den Hals. Ach, ich habe einen Freund
gefunden, einen echten irischen Freund. Doch ehe ich mich durch die liebevollen
Pfoten ablenken lasse, sehe ich, wie die Hundeschnauze ganz woanders hinzielt.
Zu meinem Butterbrot mit Chesterkäse. Muß ich jetzt teilen, unter Freunden?
    In der Nähe
der alten steinernen Flußbrücke mit ihren Bögen steht ein Angler bis zu den
Hüften im Wasser. Obwohl wir zusehen, fängt er etwas, das erleben wir selten.
Als wir weiterfahren, begleitet uns mein Freund von der Parkbank durchs Dorf
und aus dem Dorf hinaus. Ich muß ein ernstes Wort mit ihm reden, bevor er
zurückbleibt.
     

     
    Nach knapp
fünfzig Kilometern erreichen wir Kilkee. Von weitem schon können wir die bunten
Häuserreihen an der Bucht erkennen, die einen natürlichen Hafen bildet.
    Wir landen
auf einem Caravan-Park, wo wir zwischen zwei riesigen, leeren Mietcaravans, die
auf Hohlblocksteinen aufgebockt sind, ein karges Plätzchen finden. Der Preis
ist trotzdem der übliche: ca. fünf Pfund.
    Heute hat es
mein Hinterrad erwischt, es ist allerdings so gnädig, mit dem Plattwerden bis
Kilkee zu warten. Slow! Loose Chippings! Das Flicken kann bis morgen warten.
Wir haben Hunger und laufen in die Stadt. Ich weiß nicht mehr warum, aber heute
essen wir konsequent, gibt es ein konsequentes Anti-Menu. Wir erwischen die
schlimmste Pommes Frites Bude der Stadt, sitzen auf ungepolsterten Stühlen,
bekommen Fish’n Chips, dazu Cola und Fanta. Teller und Besteck gibt es nicht,
wir müssen mit den Fingern aus Tüten essen. Daß Cola und Fanta mit dem
Strohhalm aus Leichtmetalldosen dazu äußerst gut geschmeckt haben, versteht
sich. Stil ist Stil. Ach

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