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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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fünfzehn Stunden täglich, schlief drei und weinte eine Stunde zwischen zwei Uhr nachts und sechs Uhr morgens und tat im übrigen so, als wäre sie ein kleines leichtes Spielzeug. Denn Spielzeuge standen hoch im Kurs, und für seriöse Weiblichkeit von Format war die Konjunktur beim Film nicht gut. Nun also hatte Karbon, der mehr von ihr wußte, als sie ahnte, sie dazu gebracht, zehn Tage auszuspannen und sich von ihrer letzten Attacke – dem Monumentalfilm ›Straßen bei Nacht‹ und der nachfolgenden Magenblutung – zu erholen. Da saß sie jetzt neben dem wohlgelaunten Pitt im Wagen auf der Düßwalder Chaussee mit den Schlaglöchern und jammerte leise.
    Auf den Rücksitzen befanden sich noch zwei Personen, der Schofför Fobianke, ein älterer Mann mit Schnurrbart und anhänglichen Polizistenaugen, der die Karte auf den Knien seines grauen Tweedanzuges liegen hatte und in sich hineinmurmelnd den Kilometerzuwachs der Umlegung berechnete. Dann saß da noch ein zierlicher junger Mensch mit einem hübschen, etwas verwunderten Mädchengesicht. Das war der deutsche Boxmeister im Mittelgewicht, Franz Albert.
    »Los, Pitt, fahr doch Tempo!« sagte Leore, kaum daß sie das Klinkerpflaster von Düßwald hinter sich gebracht und die offene Landstraße erreicht hatten. Pitt, der den Wagen sacht dahinschleichen ließ, gab ein winziges bißchen Gas, kaum genug, um auf vierzig Kilometer zu kommen.
    »Was ist los mit dir?« fragte Leore.
    »Mensch, die Ebereschen!« erwiderte Pitt und schnüffelte den herben brandroten Herbstduft der Chaussee ein, an der die Büscheläste wie kleine Fahnen vorbeiwimpelten.
    »Ebereschen! Mir ist kalt!« jammerte Pittjewitt und scheuerte ihr Kinn an dem gestrickten Wollrand ihres Lumberjacks. Karbon warf seinen Blick schräg hinunter zu ihr und lachte. »Rote Nase?« fragte sie bekümmert.
    »Total rot«, bestätigte er und wich einer Kuh aus, die sich quer über die Chaussee postiert hatte.
    »Da muß irgendwo ein unbewachter Bahnübergang kommen«, meldete Fobianke von rückwärts. Karbon kniff die Augen ein und nickte. Die Straße war unübersichtlich, und er versuchte, mit Vorsicht über die Löcher zu kommen, ohne Leore Kopfweh zu verschaffen. »Dieses Kriechen macht mich rasend«, schimpfte sie leise neben ihm. »Pittjewitt friert.« Karbon nahm das Rad fester und trat durch, der Wagen sauste ab, und es wurde noch kälter.
    Er hopste über die Löcher, daß es Leore vom Sitz hochschnellte, sie juchzte leise dazu.
    »Hat Albert Angst?« schrie Karbon vor sich hin, ohne von der Straße wegzuschauen.
    »Albert schläft«, schrie Leore zurück, die Straße ging bergan, sie hatten den zweiten Gang drinnen, und der Motor sang laut.
    »Weck ihn auf!« schrie Pitt.
    Leore wendete sich zurück, die Luft pfiff an ihrer Wange vorbei mit einem harten, sausend kühlen Widerstand. Albert schlief wirklich, erwachte aber sofort, als sie ihn ansah, und lächelte töricht. Auch Leore lächelte wie zu einem gelungenen Experiment. Sie hatte es gern, wenn ihr Wille derartige kleine Zauberkunststücke zustande brachte. Bei Albert hatte es noch eine besondere kleine Bewandtnis damit …
    »Sind wir bald da?« fragte Albert.
    »Ja, ja, ja«, sang Leore wie eine Kinderfrau. »Unser Kleiner will ins Bett.«
    »Ich? Ach – nee –«, sagte Albert träge, aber die Augen fielen ihm wieder zu. Leore, den Hals ganz nach rückwärts gedreht, beobachtete dieses Schauspiel genau. Albert hatte blaue, tiefgebettete Augen und übermäßig lange, schwarze Wimpern. Daß diese Wimpern am unteren Lid ebenso dicht und lang wuchsen wie am obern, gab ihm dieses engelhafte und verwundert-neugeborene Aussehen. Albert rollte die Schultern in seinem Sweater aus grauer Wolle wie eine Katze. Er war unerhört leicht und weich in allen Bewegungen. Die Sportpresse lobte besonders seine linken Geraden und sein Herz – was der Fachausdruck für Ausdauer, Mut und Unempfindlichkeit gegen Schmerzen war. Leore hatte ihn zweimal boxen gesehen und konnte nicht an die kämpferische und beherrschte Wildheit, an das unbekannte Gesicht dieses Jungen denken, der sich völlig verwandelte, sobald er im Ring stand, ohne einen heißen und vertrauten Stoß in der Herzgrube zu empfinden. Daß Albert von einem tyrannischen Manager-Trainer bewacht und jeder Frau ferngehalten wurde, hatte ohne weiteres den Entschluß in ihr gezeitigt, sich dieses einundzwanzigjährigen Franz Albert zu bemächtigen.
    Der Wagen hopste indessen wie toll, das Lenkrad

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