Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
Vom Netzwerk:
bin kein Salzländer«, sagt Tio zum soundsovielten Mal. Er macht ein eigensinniges Gesicht und fügt herausfordernd hinzu: »Aber bei uns schütteln wir uns auch die Hände genau wie die Salzländer, und wir finden das sehr höflich.«
    »Na, bestens«, sagt der Mann, der sich Jabiron nennt.
    Tio mustert die beiden Männer genauer und versucht gar nicht erst, seine Neugier zu verbergen. Er hat noch nie solche Stoffe, diese Art von Kleidung und solche Kopftücher gesehen. Die silbrigen Schuppen lassen den eigenartigen Stoff glänzen, und die Köpfe der Männer sind so kunstvoll mit Schals umwickelt, dass sie aussehen, als wären es seltsame Spitzköpfe. Tio fragt sich, ob der Junge, Kivan, der vorhin bei ihm war, diese Kunst vielleicht noch nicht beherrscht. Sein Tuch war, verglichen hiermit, arg einfallslos um den Kopf gedreht. An der Kleidung der beiden Männer gibt es nichts, das schlottert oder flattert, alles liegt eng an ihren muskulösen Körpern an. »Ihr seht aus wie Fische.«
    »Danke«, sagt Sorin und neigt den Kopf.
    Tio zieht die Augenbrauen hoch. Der Mann benimmt sich, als hätte er gerade ein Kompliment gemacht bekommen!
    »Wir haben von Kivan gehört, dass du dir Mühe gegeben hast, dich wie ein Salzländer anzuziehen, und das ist dir gelungen.« Sorins Stimme klingt missbilligend. »Das machst du doch, weil du eine Art Spion für dein Volk bist, die ältesten Wanderbriganten?«
    Tio grinst. »Älteste Wander…« Älteste Wanderbühne, hat er zu Kivan gesagt. Er zögert. »Hm-mm«, macht er dann. Würden diese Menschen, das Flussvolk, sich ihm vielleicht verwandt fühlen, wenn sie dachten, dass er ein Brigantenkind wäre? Briganten, Piraten, das war fahrendes Volk. »Wir ziehen herum und stehen im Moment hier in der Gegend.«
    »Stehen?«, wiederholt Jabiron.
    »Er meint liegen«, wirft Sorin ungeduldig ein.
    Tio überlegt. Boote stehen nicht, Boote liegen. »Nein, ich meine stehen. Wir reisen mit Wagen herum und bauen Zelte auf«, sagt er dann ganz ehrlich.
    »Ein komisches Brigantenvolk«, höhnt Jabiron. »Es hält wohl seine Traditionen nicht mehr in Ehren und hat sich angepasst, was?«
    »Das musst du gerade sagen«, ertönt eine Stimme von der Tür. Es ist Kivan. Er lacht Tio zu und schneidet Jabiron eine Grimasse. »Als ob die Runji noch viel herumfahren würden! Ja, nachts aufs Meer, um zu fischen. Komm schon, wir liegen hier inzwischen schon sieben Jahre fest verankert an den Flussufern.« Er zuckt mit den Schultern.
    Tio findet, dass der Junge ziemlich unverschämt zu den Männern ist, und erwartet, dass sie ihn zurechtweisen, ihm vielleicht sogar einen Rüffel erteilen. Doch die beiden halten sich zurück und erwidern nichts. Tio muss daran denken, was Kivan gesagt hat: Ich bin der Sohn von Maile. Und Maile ist die Bedeutendste. Ob der Junge dadurch eine besondere Position hat, wie ein Prinz? Vielleicht kann er es sich deshalb auch erlauben, sein Kopftuch so lässig zu tragen.
    Mit verschränkten Armen lehnt Kivan am Türpfosten. »Runja ist in unserer Sprache das alte Wort für Fluss«, sagt er zu Tio, »und die Runji sind das Volk, das die Flüsse …«, er blickt kurz zu Jabiron, »… befährt.«
    »Bewohnt«, widerspricht Sorin ihm vorsichtig und mit leiser Stimme, »das Volk, das die Flüsse bewohnt. Was nichts damit zu tun hat, dass ich lieber …«
    »Wie denn auch«, unterbricht ihn Kivan, geht zum Tisch hinüber, zieht sich einen Hocker heran und lässt sich darauffallen. »Früher sind wir auch herumgezogen. Aber zurzeit leben wir ständig auf einem Fleck, und längst nicht jeder ist damit einverstanden. Krieg führen ist schließlich auch nicht alles, stimmt’s?«
    »Krieg!«, faucht Jabiron. »Die paar Gefechte, die wir uns liefern, das willst du doch nicht Krieg nennen? Das hat doch nur den Zweck, die lästigen Salzländer zum Schweigen zu bringen. Sie müssen endlich mit ihrem Gezänk aufhören. Das Meer und die Flüsse und die Fische gehören allen.«
    »Sag mal, was wollen die ältesten Briganten gegen die Salzländer unternehmen?«, will Kivan wissen. Er grinst.
    »Nichts«, antwortet Tio schnell. »Wir suchen keinen Streit mit ihnen.«
    »Den brauchst du nicht zu suchen, den kriegst du von selbst, wenn du dich hier in der Umgebung niederlässt.«
    »Wir lassen uns nicht nieder, wir sind einfach nur auf der Durchreise.«
    Sorin bekommt verträumte Augen. »Ihr reist also noch umher.«
    »Vielleicht habt ihr ja noch Platz für einen alten Sack mit Heimweh?«, fragt

Weitere Kostenlose Bücher