Zwischenwelten (German Edition)
die sie ihrer Meinung nach wie einen idiotischen Zwerg mit einer grauen Zipfelmütze aussehen lässt. Zu Hause würde sie sich so unter keinen Umständen auf die Straße trauen.
Als sie auf dem Weg zur Stadt steht, wirft sie noch einmal einen Blick zurück auf das Haus mit der gemütlichen Wohnküche. Der warme Schein einer Lampe fällt durch das Fenster auf den nassen Hof. Am liebsten würde sie schnell zurückrennen und sich in der warmen Küche verkriechen. Schwere Regentropfen trommeln einen ohrenbetäubenden Wirbel auf die Kapuze, strömen in kleinen Bächen über Kopf und Schultern, um ihr schließlich vom unteren Saum in die Sandalen zu tropfen.
Sie weicht den immer größer werdenden Pfützen aus und läuft zurück in die kleine Hafenstadt.
Die Händler, die einen richtigen Stand mit einem Dach aus Segeltuch haben, sind noch da, aber die fliegenden Händler, die wie Buba mit einer Decke auf dem Boden saßen, sind alle weg.
Am Wasser geht ein kräftiger Wind, und Ayse sieht, wie er die Wolken auseinandertreibt. Es dauert nicht lange, und die Sonne scheint wieder, als ob sie nie verschwunden gewesen wäre. Doch die kleinen Krämer mit ihren Waren und Decken bleiben verschwunden, und Ayse schaut sich eine Weile vergeblich nach Buba um. Sie zieht den Umhang aus, wendet das Innere nach außen und faltet ihn so zusammen, dass sie sich daraufsetzen kann. Auf einer Bank am Hafen isst sie einen Rumbariegel, den sie gestern Abend aus dem Laden mitgenommen hat, und beobachtet die Fischerboote, die gerade eingelaufen sind. Eines davon hat ziemlich nahe bei ihr Anker geworfen, so nahe, dass sie die Stimmen der Fischer hören und ihrem Gespräch folgen kann. Ein alter Mann, der ein Stückchen weiter weg auf einer Bank gesessen hat, ist aufgestanden und geht auf das Boot zu, das gerade angekommen ist. Er fängt eine Trosse auf, die ihm zugeworfen wird, und befestigt sie an einem kurzen eisernen Pfahl. Ungeduldig wartet er, bis jemand über die ausgelegte Laufplanke auf den Kai kommt.
»Und?«, fragt er sofort.
Ein Fischer mit mürrischem Gesicht schiebt eine schwarze Mütze über seine kurz geschnittenen Haare nach hinten und murmelt etwas vor sich hin.
»Wieder nichts?«
»Wenig. Viel zu wenig.«
Ayse findet, dass sich der ältere und der jüngere Mann ähnlich sehen. Vater und Sohn?
»Ich kann nur immer wieder sagen: Wir sollten auch früh am Abend rausfahren.«
Der Jüngere schüttelt den Kopf. »Das hat keinen Sinn. Manchmal verfolgst du Stunden einen schönen Schwarm, und dann hast du da plötzlich eins von den superschnellen Schiffen der Runji vor der Nase. Die warten in aller Gemütsruhe auf uns, warten einfach ab, bis wir ihnen die Fische in die Netze jagen. Sie sollen sich verdammt noch mal zum Teufel scheren. Wenn es hier nicht mehr ehrlich zugeht, dann ist alles zu Ende.«
Ayse mustert das Boot des unglücklichen Fischers. Es ist blassgrau, ein abgenutztes Ding mit Holzaufbauten, die dringend neue Farbe bräuchten, und Metallteilen, die ebenfalls eine Auffrischung nötig hätten. Selbst die Wimpel hinten sind eingerissen und ausgefranst. Den Fischern von Sandelenbach geht es eindeutig nicht gut.
Plötzlich fällt Ayse etwas ein. Sie steht auf und schlendert auf die Marktstände zu. Sirje hat doch gesagt, dass Thorpa, ihr Vater, mit seinen Waren hier wäre. Was war das noch mal, Käse und Eier? Ayse sieht einen Stand, an dem Milchprodukte verkauft werden, und auf einem handgeschriebenen kleinen Schild wird der hervorragende Ziegenkäse angepriesen. Ayse bleibt stehen und betrachtet den Mann, der zu dem Stand gehört – er gleicht seinen Kindern, oder bildet sie sich das nur ein? –, und die duftenden Käse.
Der Mann hinter dem Tisch schaut sie fragend an.
»Ein Stückchen Ziegenkäse?«, fragt er. »Oder kommst du wegen der Milch? Erst mal was probieren?«
Ayse nickt. »Gerne.« Sie ist wild auf Käse, egal welche Sorte. Sie kramt Geld aus ihrem Rucksack und kauft ein ordentliches Stück weichen weißen Ziegenkäse. Jetzt nur noch etwas Brot auftreiben, dann hat sie erst mal wieder ordentlich zu essen.
Sie geht weiter und kommt an einem Fischstand vorbei. Es gibt auf diesem Markt mehrere, was für ein Hafenstädtchen vielleicht gar nicht so außergewöhnlich ist, aber der hier ist anders als die Stände, die sie sonst gesehen hat. Er ist größer, aber längst nicht so gut besucht. Bei den anderen standen massenhaft Leute, während hier nur wenige Kunden schnell und verstohlen große Mengen
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