Zwischenwelten (German Edition)
gibt es auch ein Ihr, hoffentlich geht der Krieg schnell vorbei. So was?«
»Oje.« Tio stöhnt. »Fällt dir nichts Besseres ein?«
Ayse geht nicht auf seine Bemerkung ein. »Oder liegt der Sinn darin, dass wir etwas begreifen? Es gibt ein Wir und ein Ihr. Du und ich? Oder bezieht sich das Wir und Ihr auf die Runji und die Salzländer?«
»Oder beides.« Tio setzt sich anders hin. Er nickt. »Du bei den Salzländern und ich bei den Runji. Weil wir beide woanders zurechtgekommen sind, werden Wir und Ihr jetzt zu Ich und Du. He, klingt doch gut, findest du nicht auch? Wir und Ihr werden jetzt zu Ich und Du. Das hat Rhythmus.«
»Ach du liebe Zeit. Das klingt entsetzlich dämlich. Du hast außerdem den Sinn völlig verändert. Und was ist mit dem Vorbei?«
»Na, dann überleg ich mir jetzt was anderes: Geh immer an Wir und Ihr vorbei. Aber ich glaube, dass wir nur dahinterkommen, was für ein Auftrag es ist, wenn wir zurückgehen.«
Ayse ist unsicher. »Oder sollen wir erst noch mal mit Buba reden?«
Tio schaut durch das kleine Fenster, an dem die Regentropfen hinunterlaufen. »Bei dem Wetter? Glaub bloß nicht, dass er jetzt brav draußen auf seiner Decke sitzt. Vielleicht versteckt er sich in seinem Minizelt? Aber da er doch zwischen den zwei Welten hin- und hergehen kann, würde ich an seiner Stelle gemütlich dort in der Sonne sitzen, bis es sich hier wieder aufgeklart hat.«
»Doch nicht in Sandelenbach«, sagt Ayse kopfschüttelnd. »Gemütlich in der Sonne sitzen? Vergiss es. Du meinst wohl eher in einem Hagel von Steinen.«
»Stimmt, sie haben ja gerade angefangen zu kämpfen, hast du gesagt.« Tio runzelt die Stirn. »Trauen wir uns trotzdem hinzugehen?«
»Vielleicht haben sie ja inzwischen aufgehört«, murmelt Ayse mit gesenktem Kopf. Sie muss an das besorgte Gesicht des Wirts denken.
»So schrecklich gemütlich wird es dann wohl dort nicht sein, was?« Tio seufzt. »Und trotzdem will ich gucken gehen.«
Ayse ist mit ihm einer Meinung. »Ich auch. Aber ich muss vorher noch mal nach Hause. Ganz normal einfach nach Hause, du weißt schon. Um zu essen und so. Nicht weil ich Hunger hab, aber meine Mutter erwartet mich gleich zum Abendessen.« Sie steht auf. »Aber wir haben noch ein wenig Zeit.«
»Die Zeit vergeht hier sehr langsam, wenn wir dort sind.«
»Weiß ich. Wenn das nicht so wäre …« Sie grinst. »Wenn ich jetzt gleich nach Hause komme, denken meine Mutter und meine Brüder, dass ich nur ein paar Stunden weg gewesen bin.«
»Ja, und wir haben inzwischen ein paar Nächte dort geschlafen. Es sind ganze Tage vergangen! Das bringt mich völlig durcheinander.« Tio geht zur Tür des Wohnwagens und stößt sie auf. »Wegen des Wetters brauchst du jedenfalls nicht hierzubleiben.«
»Worauf warten wir dann noch?«
»Äh, ba«, sagt Tio, als er aus der Kiste tritt.
»Was ist?«, fragt Ayse erschrocken und schiebt ihn zur Seite. Erleichtert holt sie Luft, als sie sieht, wo sie sind. »Boh, ich hatte schon Angst, dass du gleich sagst, wir sind noch im Zelt von deinem Vater und die Kiste funktioniert nicht mehr.«
»Nein, aber hier regnet es auch.«
Ayse ist schon an ihm vorbei. »Das bisschen Nieselregen«, ruft sie munter und schwingt sich den Rucksack auf den Rücken. »Einfach schnell weitergehen.«
Tio trabt hinter ihr her.
Ayse reibt sich die Hände. Vielleicht ist es gar keine so schlechte Idee, direkt in die Stadt zu gehen und noch mal in den Klamottenladen. Nachsehen, ob sie auch wärmere Sachen haben.«
»Hoffentlich wird es hier nicht gerade Winter.« Tio verzieht das Gesicht. »Ich finde es scheußlich, wenn es kalt ist.«
Ayse schaut in die Bäume hoch, unter denen sie entlanglaufen. »Die Blätter sind jedenfalls noch nicht abgefallen.«
Es dauert nicht lange, bis sie das Ende des Waldwegs vor sich sehen.
»Ich gespannt, wo wir nun gleich wieder rauskommen«, meint Ayse.
»Wieso?«
»Na, du warst das letzte Mal in der unbewohnten Welt, aber ich nicht. Also – kommen wir jetzt gleich dahin, wo du warst, oder dorthin, wo ich war? Was glaubst du?«
»Gute Frage. Eigentlich hab ich auf den unbewohnten Level gehofft, dann könnten wir erst mal schnell in ein paar Geschäfte.«
»Und in das Gasthaus, wo ich die Zeichnungen unter dem Bett liegen gelassen hab«, stimmt Ayse zu und nickt.
»Also …«, fängt Tio an, zögert dann aber.
»Ach, mach dir keine Gedanken. Ich bring sie nicht gleich zu den Salzländern. Ich werd noch ein bisschen drüber nachdenken. In
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