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Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
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ihm zu essen gegeben haben, wie ihre Sprache klingt – alles in der Hoffnung, dass die Runji auch in Ayses Augen menschlicher werden, mehr als nur ein unbekanntes Volk, das Häuser zerstört.
    Ayse lehnt sich zurück, ihre Finger spielen mit dem Verschluss der Colaflasche. Ihre Miene ist noch störrisch, aber sie scheint tief in Gedanken versunken zu sein.
    »Also gut«, brummt sie. »Die Runji sind also auch Menschen, die manchmal richtig nett sind. Ist es das, was du mir damit jetzt sagen willst?«
    »So wie du von dem Wirt zu essen bekommen hast, hab ich von Hala Essen für unterwegs gekriegt.«
    Ayses Gesicht verdüstert sich wieder.
    »Butterbrote«, redet Tio leichthin weiter. »Ich glaube, mit Fisch drauf. Sehr lecker.«
    »Wie alt ist das Mädchen?«, will Ayse wissen.
    »Ungefähr genauso alt wie du.« Um seinen Mund spielt ein verräterisches Lachen.
    »Und sie ist die Tochter von dieser Maile? Ist sie dann so eine Art Prinzessin?«
    »Ich weiß nicht, wie das bei den Runji abläuft. Maile scheint sehr stark und klug zu sein. Sie entwirft die Schwingen und geht voran, wenn es einen Kampf gibt oder ein Feuer gelöscht werden muss. Ich glaube schon, dass Hala und Kivan dadurch eine bestimmte … besondere Stellung haben. Sie kommen mir vor, als wären sie irgendwie adelig, jedenfalls irgendwie anders. Also, ich kann das nicht so gut erklären.« Tio schaut Ayse mit mühsam unterdrücktem Grinsen an, dann sagt er: »Die Runji sind auch sehr schöne Menschen, wenn du sie von Nahem siehst. Vor allem Hala.«
    »Ach, ja?« Der Verschluss der Colaflasche schießt über den Tisch, und die Flasche fällt beinahe um, Ayse kann sie gerade noch schnappen und wieder aufrecht hinstellen. Tio beschließt, Ayse nicht länger zu piesacken. »Sie sind allerdings sehr blass«, erzählt er weiter. »Mit hellblauen oder grünen Augen und einer Haut voller Sommersprossen. Ihre Augenbrauen und Wimpern sind total weißblond und ihre Köpfe kahl. Das verbergen sie unter den Tüchern, die sie sich um den Kopf binden. Ihre Kleidung ist richtig prachtvoll. Fühl mal den Stoff von meiner Hose. Verrückt, was? Man könnte fast denken, dass sie die Häute von Fischen so aufarbeiten, wie wir die Häute von Tieren zu Leder gerben. Ihre ganze Kleidung schimmert und glitzert, meistens silbrig. Eigentlich sind sie fast schon aufrecht gehende Fische mit Armen und Beinen.«
    Neidisch schaut Ayse auf Tios Hose. Sie ist wirklich sehr schön.
    »Vielleicht müssen wir noch mal in das unbewohnte Runjidorf gehen, um für dich auch solche schönen Klamotten zu holen.« Tio lacht.
    »Ich denke, du hast gesagt, du willst nicht mehr zurück.«
    Tio zögert. »Einerseits nein, weil ich das Gezänk ordentlich satthab. Ich hab überhaupt keine Lust, wieder dazwischenzustecken.« Er trommelt mit den Fingern auf den Tisch. »Aber auf der anderen Seite hab ich jetzt schon Heimweh.«
    »Ja, das hab ich auch«, bestätigt Ayse sofort. »Ich will wieder in den Supermarkt und komische Sachen essen, ich will Sirpa und ihre Familie sehen, ich will zurück zu dem Wirt, um zu wissen, wie es ihm ergangen ist.« Sie streckt den Rücken. »Und du willst natürlich Hala wiedersehen.«
    Tio bricht in schallendes Gelächter aus. »Du bist eifersüchtig«, rutscht es ihm jetzt doch heraus.
    »Pff«, macht Ayse mit gerümpfter Nase. Sie trinkt einen Schluck Cola. Und noch einen. Da geht ihr auf einmal etwas durch den Kopf. »Der alberne Vers, was haben wir mit dem eigentlich gemacht?«
    »Den hast du irgendwo. Du hast den Zettel in deine Jeanst a …«
    »Das mein ich nicht«, sagt Ayse ungeduldig. »Ich weiß sehr wohl, wo ich den Zettel hab, er steckt in der Außentasche von meinem Rucksack. Aber hätten wir nicht etwas mit den Worten machen sollen? Mit ihrer Bedeutung? Ich hab die ganze Zeit gedacht, dass das unser Spielauftrag wäre.«
    »Na, dann sind wir noch lange nicht fertig.« Tio sieht erleichtert aus, als ob ihm damit die Mühe abgenommen wäre, eine Entscheidung zu fällen. »Dann müssen wir wieder zurück.«
    »Gibt es ein Wir, dann gibt es auch ein Ihr«, zitiert Ayse. »Das steht drauf. Und du hast gesagt, es stand auch auf dem Spiegel und auf dem Stück Pappe bei Babatunde noch ein drittes Stichwort …«
    »Vorbei«, weiß Tio noch.
    »Meinst du, dass wir den Vers fertig machen sollen?«
    »O nein«, schnauft Tio. »Das ist ja wie eine von den blöden Aufgaben in einem Schulbuch.«
    »Also, besonders schwer ist das doch gar nicht. Gibt es ein Wir, dann

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