Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
Vom Netzwerk:
gibt es Brücken zur anderen Seite, Tio, wollen wir da hin?«
    »Ich bin schon mal auf der anderen Seite gewesen«, erinnert Tio sie und lächelt spöttisch. Er blickt auf die kleinen Flecken Wasser, die zwischen Laufstegen und Terrassen zu sehen sind, und fügt dann ein bisschen säuerlich hinzu: »Schwimmend.«
    »Na, jetzt kannst du einfach zu Fuß gehen.« Ayse lacht, packt ihn am Jackenärmel und zieht ihn mit.
    Noch immer bauen die Runji alles aus dem gleichen weichen graubraunen Holz, und anscheinend weigern sie sich auch noch immer, auch nur irgendwo etwas ganz gerade sein zu lassen. Zierliche Brücken schlängeln sich über den Fluss, als ob es nicht wichtig wäre, auf schnellstem Wege irgendwohin zu gelangen, sondern als ob es darauf ankäme, dass sie elegant und beschwingt das Auge erfreuen.
    »Das ist wunderschön!«, flüstert Ayse, als sie eine der vielen schwimmenden Brücken betreten.
    Von der Brücke zweigen viele kurze Seitenarme ab, und all diese Seitenarme sind Anleger für die Boote der Runji, die sich im Laufe der Zeit von schlanken und schnellen Fischerbooten zu zierlichen Gondeln mit hochgezogenem verschnörkelten Bug gewandelt haben. In unglaublichen Mengen, an Seilen vertäut, schwanken sie auf und nieder.
    »Ja, es ist sehr schön«, stimmt Tio zu. »Aber ich glaube, ich weiß nun langsam, woher die Überschwemmungen kommen.«
    »Du meinst, dass es an der Stadt liegt? Ja, vielleicht hast du recht, der Fluss kann unter diesen Umständen nicht einfach ungestört weiterfließen.«
    »Und deshalb hat sich das Wasser seitlich einen Weg gesucht, um die Bauten der Runji herum«, vermutet Tio.
    Das Einzige, was nahezu unverändert geblieben ist, sind die Häuser der Runji, die sich rund oder oval über dem Wasser erheben. Nur sind es so viel mehr geworden, dass Tio sich kopfschüttelnd fragt: »Wie viele Jahre müssen wohl vergangen sein, dass aus einem Dorf von ein paar Häusern eine Stadt für Tausende von Menschen gebaut werden kann?«
    Ayse legt die Stirn in tiefe Falten. »Ich glaube, in diesem Spiel ist die Zeit nicht so wichtig. Ich möchte wetten, wenn wir in die bewohnte Runjistadt gehen, begegnest du genau derselben Hala und genau demselben Kivan. Genau wie bei Sirpa, wo auf dem komplett veränderten Hof immer noch dieselben Menschen rumlaufen.«
    Tio beugt sich über ein hölzernes Brückengeländer und blickt auf das Flusswasser. »Aber was ist dann die wichtigste Botschaft? Hast du das auch schon rausgekriegt? Warum müssen wir uns plötzlich neue Städte ansehen, in denen offensichtlich jede Menge Zeit vergangen ist? Was ist daran so spannend?«
    Ayse klettert auf das Geländer, setzt sich darauf und schaut Tio eine Weile grübelnd an. »Ich weiß es nicht«, sagt sie schließlich, »aber die Menschen sind lediglich Spielfiguren, die immer wieder eine andere Rolle spielen. Oder nein, ich glaube eher, immer wieder dieselbe Rolle.«
    »Und hast du vor dahinterzukommen, warum das so ist?«
    »Du etwa nicht? Du willst mir doch nicht weismachen, dass du nicht neugierig bist? Willst du denn deine Hala nicht wiedertreffen?«
    Tio zieht eine Augenbraue hoch, sagt aber nichts.
    Ayse springt vom Brückengeländer und deutet mit dem Kopf auf die Häuser am anderen Ufer. »He, sieh das doch mal als eine Art Urlaub. Wir sind normale Touristen und besuchen eine schöne Stadt an einem schönen Fluss.« Dann kommt ihr eine Idee, und sie stößt Tio in die Seite. »Wenn das jetzt eine so große Stadt geworden ist, gibt es bestimmt auch viele Läden, meinst du nicht? Wir sollten uns mal auf die Suche nach schönen Runjiklamotten machen.«
    Neugierig laufen sie weiter über die Brücke auf das andere Ufer zu.
    »Ob sie wohl immer noch auf Fischfang gehen?«, fragt sich Ayse laut. »Die Gondeln sehen mehr aus, wie zum Vergnügen gemacht, nicht so, als ob sie noch für was anderes gebraucht würden.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nicht mehr fischen«, erwidert Tio. Er grinst. »Das wäre auch zu schade. Die Brote mit geräuchertem Fisch waren richtig gut. Aber die Runji haben vor allem auf dem Meer gefischt. Das hast du doch sicher auch mitbekommen, als du in Sandelenbach warst? Darüber waren die Salzländer ja gerade so wütend, weil ihnen die Runji mit ihren schnellen Hochseebooten alles vor der Nase weggefischt haben.« Tio zeigt in die Richtung, wo er die Mündung des Flusses vermutet. »Da hatten die Runji ihren Seehafen, hat mir Hala erzählt. Da hat es auch gebrannt an dem Abend, als

Weitere Kostenlose Bücher