Zwischenwelten (German Edition)
Holz.«
»Das meiste ist immer noch aus Holz.«
»Aber das hier eben nicht.«
Tio zuckt gleichgültig mit den Schultern. »Das hier ist ein Badehaus. Badehäuser und Schwimmbäder und so was sind immer gefliest.«
Doch für Ayse ist das eine Enttäuschung. Als würde damit in ihren Augen das geheimnisvolle Flussvolk sehr viel gewöhnlicher werden. »Und sie haben jetzt auch angefangen, an Land zu wohnen.«
»Auf Pfählen über einem Sumpf zu wohnen, meinst du wohl.«
»Nicht lange, und sie bauen auch Häuser aus Stein«, prophezeit Ayse düster.
»Lass sie doch einfach machen«, murmelt Tio, dem das ziemlich egal ist, und um das Thema zu wechseln, ruft er: »Mir fällt gerade ein, dass wir jetzt tagelang kein Bad genommen haben. Zu Hause dusche ich jeden Morgen.«
»Aber eigentlich sind wir doch nur ein paar Stunden von zu Hause weg gewesen.«
»Ich müffele aber für drei Tage.« Tio grinst und schnüffelt unter seiner linken Achsel.«
»Ferkel!«, ruft Ayse.
»Schade, dass wir keine Seife haben.«
Ayse nickt. »Oder Shampoo.« Sie lässt ihren Kopf nach hinten sinken, und ihre langen dunklen Haare breiten sich wie ein Fächer auf dem Wasser aus. Auch ihre Ohren verschwinden unter der Wasseroberfläche, und so hört sie nicht, was Tio sagt. Als sie wenige Sekunden später wieder hochkommt, sieht sie, dass Tio sich befremdet umschaut. »Was ist denn?«
Tio legt den Finger auf die Lippen. Er sieht ernst aus. Es bleibt still. Dann flüstert er: »Ich hab gedacht, ich hätte was gehört.«
»Wie soll das denn gehen?«, faucht Ayse. »Wir sind in der unbewohnten Welt, das weißt du doch! Hier ist niemand, nicht hier und nicht in Sandbach. Das war immer so, und das wird auch so bleiben. Also?« Doch ihr Blick ist unsicher. Sie schluckt angestrengt. »Hast du wirklich was gehört?
»Hm … vielleicht war es nur das Wasser in meinen Ohren.«
»Aber was glaubst du denn gehört zu haben?«
Langsam und mit trägen Bewegungen watet Tio zum Beckenrand. »Eigentlich hat es wie … Schritte geklungen. Gummisohlen auf nassen Fliesen. Es hat so gequietscht.«
Ayse hüpft ihm hastig hinterher, und um schneller zu werden, rudert sie mit den Armen so heftig durchs Wasser, dass es laut platscht.
»Pssst!«, macht Tio.
Ayse bleibt wie erstarrt stehen und schaut sich ängstlich um.
Tio schwingt sich auf den Rand und klaubt schnell seine Klamotten zusammen.
Ayse macht es ihm nach und ist vor lauter Angst noch schneller als er, nur dass sie in ihrer Nervosität ihre Bluse verkehrt herum angezogen hat. Ihre Finger zittern so, dass sie Mühe hat, das Band um ihre Hüfte zu knoten und die Riemen der Sandalen zuzumachen.
Tios Finger kämpfen mit dem langen Stoffstreifen, den er sich um den Bauch knüpfen muss. Schließlich stopft er das ganze Ding einfach unter den Hosenbund. »Das mach ich später richtig«, sagt er und packt Ayse am Arm. »Komm.«
Während sie bereits eilig zum Ausgang des gefliesten Raums eilen, versuchen sie noch, sich ihre Rucksäcke auf den Rücken zu hieven.
Tio späht um die Ecke. »Wenn das doch bloß ein normaler gerader Gang wäre«, murmelt er vor sich hin. »So kann man ja kaum was sehen.« Tapfer geht er voran.
Den Rücken gegen die Wand gedrückt, schleichen sie geräuschlos weiter.
»Was bin ich froh, wenn wir wieder beim Ausgang sind«, flüstert Ayse.
»Wir sind gleich da.« Tio zeigt auf die Schnitzerei mit dem Schwimmer. Er hat recht, gleich darauf stehen sie draußen, wo er erleichtert die frische Abendluft einsaugt.
Ayse ist erschrocken. »Es ist schon fast dunkel, und wir müssen noch den ganzen Weg zurück nach Sandbach.«
»Wir müssen gar nichts«, findet Tio. »Die Runji haben bestimmt auch Betten, in denen wir schlafen können.«
»Willst du etwa hierbleiben?« Ayse sieht ihn ungläubig an. »Wo hier doch jemand rumschleicht?«
Tio wirft noch einen letzten Blick zurück in den Gang des Badehauses. »Vielleicht hab ich mir das ja nur eingebildet. Vielleicht hat da nur was getropft … Bei dem vielen Wasser kann das doch gut sein.« Er bleibt einen Moment still und sagt dann, um Ayse zu beruhigen und vor allem auch sich selbst: »Ja, da hab ich mir was eingebildet. Es klang gar nicht so wie Schritte.«
Ayse ballt die Fäuste und versetzt Tio erbarmungslos einen Schlag. »Erst machst du mir Angst mit einem rumschleichenden Scheusal, und jetzt sagst du, dass du es dir nur eingebildet hast!« Sie zerrt ihren Rucksack etwas höher auf den Rücken, klammert die Hände um
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