Zwischenwelten (German Edition)
ist alles, was Ayse dazu sagt.
»Ich finde es seltsam, dass hier auch alles so verfallen ist«, fährt Ayse fort und wirft den beinahe leeren Becher in einen Papierkorb. »Vorher ist das leere Salzland schön geblieben, während das bevölkerte Salzland durch die Angriffe verfallen ist. Das Haus von Thorpa und Sirpa zum Beispiel, das ist in der einen Welt zerschossen worden, und in der anderen ist es heil geblieben. Hat das vielleicht damit zu tun, dass wir durch die Kiste hin- und zurückgegangen sind?« Sie sieht Tio traurig an. »Das alte Sandelenbach sehen wir bestimmt nie wieder.«
»Nein«, befürchtet auch Tio. »Es wirkt so, als wären wir auf einem anderen Level gelandet.«
»Wenn das so ist, dann würde ich das Spiel gerne von vorn beginnen.« Ayse schneidet eine Grimasse. »Aber das ist wohl nicht der Sinn der Sache.« Sie wirft einen Blick zurück auf eine bröckelige Mauer. »Es ist, als hätte sich Buba einen ganz neuen Ausgangspunkt ausgedacht. Wir haben es jetzt mit dem zerstörten und wieder aufgebauten Sandbach zu tun, sowohl hier, wo niemand lebt, als auch da, wo es bewohnt ist. Aber er hat genau dieselben Personen hierhergesetzt.«
»Aber in dem bewohnten Sandbach fand ich es gerade schlimmer«, meint Tio, »weil da so schwermütige Leute rumgelaufen und die Häuser so armselig sind, glaube ich. Niemand hat da richtig fröhlich ausgesehen. Bis auf die kleinen Kinder vielleicht.«
In Sandelenbach oder Sandbach, wie es jetzt heißt, scheinen Dutzende von Jahren verstrichen zu sein. Die Stadt sieht aus, als hätte sie irgendwann vor sehr langer Zeit einen schweren Angriff überstanden. Einige Gebäude sind immer noch Ruinen, andere wurden wieder aufgebaut. Aber es scheint, dass die teilweise Zerstörung noch nicht überwunden ist. Die früher so angenehme kleine Hafenstadt, die mit ihren Terrassen, Restaurants und den vielen Kübeln mit blühenden Blumen an einen hübschen Ferienort erinnerte, sieht nun ziemlich verkommen aus. Zerlumpt wie ein alter Landstreicher ohne Zähne, verschlissen und erschöpft. Was aus Holz gebaut ist, sieht völlig ausgebleicht aus, Putz bröckelt ab. Die Blumenkübel sind größtenteils leer, und hier und da gibt es Häuser, deren Fenster vernagelt sind.
Es besteht kein großer Unterschied zu den Gebäuden auf dem Hof von Sirpa. Ganz Sandbach samt Umgebung wirkt verarmt und verkommen. Im Hafen liegen nur wenige Fischerboote, und auf der Hafenpromenade gibt es gerade mal eine Terrasse, die zu einem düsteren Gasthaus gehört, in dem in der bewohnten Welt nur eine Handvoll betrunkener Männer gelangweilt am Tresen rumhingen.
»Ich erinnere mich noch, wie es früher war.« Tio seufzt und schaut sich nach den früheren Café-Terrassen und den eleganten kleinen Geschäften an der Hafenpromenade um, die der Stadt so eine gemütliche Atmosphäre gegeben haben. »Ich habe einfach nur Mitleid mit den Salzländern.«
»Tröste dich mit dem Gedanken, dass es sie nicht wirklich gibt«, sagt Ayse hart. »Mit Spielfiguren muss man kein Mitleid haben.«
»Zumindest wenn sie das wirklich sind«, meint Tio zweifelnd. »Ich weiß nicht … Warum hat Buba sie sich ausgedacht – wenn er es war, der sie geschaffen hat. Warum überlegt er sich solche schlimmen Sachen?«
»Dafür gibt es bestimmt einen Grund«, murmelt Ayse und schaut in ihrem Rucksack nach den Vorräten, die sie mitgenommen haben. »Auf jedem Fall gibt es noch viele Geschäfte, und das Essen schmeckt zum Glück ziemlich echt. Glaubst du, dass wir genug fürs Abendbrot haben?«
»Was hast du vor? Hast du dir was für den restlichen Nachmittag überlegt?«
»Ich hab an einen Spaziergang gedacht.« Ayse setzt sich in Bewegung. »Weißt du, was ich mich außerdem frage? Warum hat Buba parallel diese leere Welt gemacht? Was hat das für eine Bedeutung?«
»Damit man da, hm …«, Tio tippt mit dem Zeigefinger auf die Rucksäcke, »… alle möglichen leckeren Sachen auftreiben kann!« Er grinst. »Und damit wir uns Klamotten holen können und Geld zum Beispiel und alles, was wir brauchen, um zu überleben. Genau wie das Mädchen gesagt hat.«
»Ja, praktisch ist es schon. Oder vielleicht ist diese Welt auch extra dafür gemacht, dass man irgendwo in Ruhe schlafen und nachdenken kann.«
»Also, ich bin ihm jedenfalls sehr dankbar dafür«, sagt Tio fröhlich und zählt die Rumbariegel, die er in seinen Rucksack gestopft hat. Dann macht er den Rucksack zu, schwingt ihn sich auf den Rücken und gibt Ayse einen
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