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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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über den Peloponnesischen Krieg. Das gilt für Ihr Buch zehnmal mehr. «
    » Wer uns damals beim Fischerwirt prophezeit hätte, in welche Teile der Welt wir die Botschaft des Meisters tragen werden, dem hätten wir den ersten Preis im Märchenerzählen zuerkannt. Petrus nach Rom, Natanael nach Persien und Armenien, Levi ins finsterste Afrika, Thaddäus nach Babylonien, Philipps Grab findest du nicht weit von hier, Thomas ist in Indien verschollen. Und ich hätte auch nicht für möglich gehalten, daß ich sie alle überleben und meine letzten Tage in einer griechischen Weltstadt damit verbringen werde, um einem Gymnasiasten Rede und Antwort zu stehen.«
    »Ich finde das einfach toll, großer Meister.«
    Unwillig entgegnete der Alte: »Nenn mich nicht Meister, Poly. Meister ist Jesus allein.«
    »Dann großer Autor. Einverstanden?«

Der Schweigsame und der Redselige

    Simon, den sie den Zeloten nannten — irgendwie mußte man ja die hundert Simons zwischen Magdala und Betsaida unterscheiden — , Simon haderte mit Gott und der Welt. Darum ging er den beiden aus dem Weg. Die Synagoge besuchte er nur an den höchsten Feiertagen und hatte die letzten Jahre die Pilgerfahrt nach Jerusalem absichtlich versäumt. Er fühlte sich nicht einmal bemüßigt, sich eine Krankheit zuzulegen, wie es andere machten, die sich vor der anstrengenden Reise drücken wollten. Auf Ausreden und Entschuldigungen verschwendete er keinen Gedanken; er kümmerte sich überhaupt nicht um das Gerede der Leute, sondern war am liebsten allein. Er hätte auch allein gearbeitet, doch zum Fischen braucht es mindestens zwei. So hatte er sich mit Judas zusammengefunden, den man zum Unterschied zu den zweihundert Judas zwischen Betsaida und Magdala Thaddäus, den Mutigen, nannte und der zum Glück so gesprächig war, daß es ihm nichts ausmachte, keine Antwort zu erhalten.
    Im Augenblick sagte allerdings auch Judas nichts. Er saß im Boot, stocherte in den Zähnen und blickte mit freundschaftlicher Besorgnis auf Simon, der auf dem kleinen Uferplatz Holz hackte, und zwar mehr, als seine Frau in den nächsten Monaten verfeuern konnte. Es galt auch gar nicht so sehr, Holzvorrat für den Herd als vielmehr die Wut aus dem Leibe zu schaffen. Jedesmal, wenn Simon einen Holzklotz auf den platten Stein setzte, stellte er sich offenbar irgendeine bestimmte verhaßte Visage vor, die es verdiente, auseinandergenommen zu werden. Und so sauste die Axt mit ungehemmter Wucht nieder, daß die Scheite durch die Gegend flogen. Zum Glück kam niemand sonst in die Nähe; Simons Haus war das letzte im Dorf, gleich dahinter begann ein mannshohes Schilfdickicht.
    Plötzlich stand ein Fremder bei ihnen. Judas hatte sein Näherkommen nicht bemerkt. Er mochte einige Jahre älter sein als sie, war mittelgroß, schlank, hatte kräftige Hände, die zupacken konnten, wie er mit geübtem Blick feststellte. Judas verachtete Menschen, die Hände nur zum Schreiben, Geldzählen und Däumchendrehen brauchten.
    Der Fremdling hatte offenbar einen längeren Marsch hinter sich, er wirkte erschöpft.
    »Seid ihr Fischer?« fragte er.
    Judas lachte. »Es sieht zwar im Augenblick danach aus, als ob wir Bezirksholzhacker von Galiläa seien — aber du hast ganz recht, wir sind Fischer. Am Ufer liegt unser Boot.«
    »Hättet ihr vielleicht die Zeit und die Liebenswürdigkeit, mich nach Kapharnaum zu rudern?«
    Liebenswürdigkeit war zwar die Tugend, an der es Judas zur Zeit am meisten fehlte, trotzdem nickte er bereitwillig und sagte: »Rudern nicht, aber segeln, der Wind läßt es zu. He, Simon!«
    Der Zelot hatte bisher seine ingrimmige Holzhackerei nicht unterbrochen.
    »Segle mit in die Stadt hinüber! Wir müssen sowieso heut oder morgen neue Ölfässer holen.«
    Simon brummte, legte die Axt beiseite, wusch sich in dem hölzernen Wassertrog vor seiner Hütte Gesicht und Hände, warf sich ein frisches Hemd über und fand sich am Boot ein, wo Judas inzwischen die Ankerkette gelöst und das Segel aufgezogen hatte. Simon stieß das Boot vom Ufer ab, sie gewannen rasch an Fahrt.
    Eine Weile saßen sie stumm da, dann eröffnete der Fremde das Gespräch. »Sehr fröhlicher Stimmung scheint ihr beide nicht zu sein«, sagte er.
    »Wer hat keinen Ärger heutzutage?« antwortete Judas. »Hast du ihn nicht in der Familie, hast du ihn in der Politik.«
    Der Fremde schien sich zu wundern. »Politik in diesem verlassenen Winkel von Galiläa?«
    »Jawohl, Politik. Du bist vermutlich der einzige im Umkreis von

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