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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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zehn Meilen, der nicht weiß, was gestern in Kapharnaum geschehen ist. Große Parteiversammlung der Zeloten. Ben Ascher, unser langjähriger Vorsitzender, hatte seinen Rücktritt angekündigt, wegen Stimmbandlähmung. Klingt grotesk, aber es stimmt. Wie will er führen, wenn er nicht schreien und kommandieren kann? Ein neuer Vorsitzender sollte gewählt werden. Mein Freund hier, Simon, galt als aussichtsreichster Kandidat. Keiner hatte so viel für die Zeloten getan wie er.«
    »Mußt du unbedingt jetzt davon reden?« fragte Simon verärgert.
    »Warum soll der Herr nicht erfahren, was sowieso jeder weiß? Um mich auf das Wichtigste zu beschränken, Simon mußte bereits zwei Jahre Gefängnis absitzen wegen des Überfalls auf ein römisches Waffenmagazin. Außerdem bildet er junge Zeloten im Nahkampf aus und organisiert die Verbindung mit unseren Kameraden, die sich im Gebirge versteckt halten müssen. Verdienste über Verdienste! Man kennt sie, aber man erkennt sie nicht an. Was passierte auf der Versammlung? Was niemand erwartet hatte, ein gewisser Gischal wurde zu Aschers Nachfolger gewählt, ein Mann, der sich bisher nur durch sein großes Maul hervorgetan hat, hinter den Kulissen taktiert und bei keinem gefährlichen Kommandounternehmen mitgemacht hat. Eine hundertprozentige Niete! Aber er ist der Schwiegersohn des alten Ascher, und Ascher hofft mit seiner Hilfe weiterhin über die Partei zu verfügen, als wäre sie ein Familienunternehmen. Alles Schiebung und Schwindel! Mit funkelnagelneuen Silberlingen hat er das Stimmvieh bestochen. Und wir glaubten bisher, es gehe bei uns doch noch ehrlicher zu als bei den Pharisäern, bei uns zähle die Leistung, nicht der Geldbeutel und der Schwiegervater. Ja, und deshalb befinden wir uns nicht gerade in Feiertagsstimmung.«
    Er deutete auf Simon, der schweigend zuhörte. »Ich rede ihm dauernd zu, er solle die Partei verlassen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Er hat ihr seine besten Jahre geopfert, hat ihretwegen Beruf und Familie vernachlässigt. Da hängt das Herz dran, und ihr Ziel bleibt sein Ziel, trotz aller Enttäuschungen. Vor sieben Jahren, was herrschte da für ein kämpferischer Schwung, welch kriegerischer Geist beseelte damals die Zeloten! Die ersten Aktionen wurden oft nur ungenügend vorbereitet, aber blitzschnell durchgeführt: fast jede ein Volltreffer. Rund um den See brannten die Fackeln des Widerstandes, nachts wagte sich kein Römer mehr auf die Landstraße. Die Besatzungsmacht wurde nervös, forderte Verstärkung an. Bis Ascher das Kommando übernahm, dieser verwöhnte Hundesohn. Stinkt vor Geld und scheut darum jedes Risiko. Unter ihm wurde nur geplant und theoretisiert, hin und her begutachtet und abgeschätzt, aber nichts mehr geleistet. Kein Handstreich, kein Überfall. Aus Freiheitskämpfern wurden Pantoffelhelden. Anstatt Waffenlager anzulegen, pflanzten sie Kürbisse an. Und Wassermelonen. Demnächst wird Aschers verfressener Schwiegersohn sich vom römischen Kommandeur zum Kaiserdinner einladen lassen und gespickten Schweinebauch verspeisen. Das nennt er dann womöglich — langfristige Strategie«, dieser Heuchler. Nein, die Zeloten sind auf dem absteigenden Ast, und an dem sägen sie noch selber. Ich würde mich an seiner Stelle dem Rabbi von Nazareth anschließen; der sammelt nicht die schlechteste Truppe um sich.«
    »Woher weißt du das?« fragte der Fremde.
    »Kameraden von uns, Fischer wie wir, zählen bereits zu seiner Mannschaft. Feine Kerle, manchmal ein bißchen überschwenglich und rasch entmutigt, aber aufs ganze gesehen Burschen, mit denen man Pferde stehlen kann.«
    Der Fremde lächelte. »Pferde stehlen?«
    »Wie man halt so sagt. Vorher sind sie übrigens diesem Johannes nachgelaufen, der am Jordan taufte. Jedes zweite Wort von ihm war: Buße! Buße, nichts als Buße!«
    »Ist das denn so falsch?«
    »Irgendwie hat er schon recht, klar, zuerst die inneren Zustände ändern, dann die äußeren Umstände. Aber wie lange dauert das? So lange können Zeloten nicht warten. Und außerdem haut er zuviel auf die Moralpauke. Das schreckt junge lebenslustige Leute ab. Wer viel kämpfen muß, möchte auch mal genießen; und wer im Gebirge gejagt wird, erbeutet sich ein Mädchen, wenn er's braucht. Erst die Freiheit, dann die Moral! Kann gut begreifen, daß sie zu diesem Nazarener übergelaufen sind.«
    »Ich kenne manch einen Ausspruch von ihm«, sagte der Fremde, »aber daß er verkündet hätte, erst die Freiheit, dann die

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