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Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)

Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)

Titel: Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solomon Northup
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weiter ebnen, wenn sie das sagen", und begann gleichzeitig das zu tun, was er forderte. Bevor auch nur ein Span gehobelt war, schrie er schon wieder; dieses Mal behauptete er, ich hätte zu tief gehobelt und den Kamin komplett verhunzt. Darauf folgten Flüche und Verwünschungen. Ich hatte versucht genau das zu tun, was er wollte, aber diesen unvernünftigen Menschen konnte einfach nichts zufriedenstellen. Schweigend und erstarrt vor Furcht stand ich am Kamin, den Hobel in der Hand und wusste nicht, was ich tun sollte – wollte aber auch nicht untätig rumstehen. Seine Raserei wurde wilder und wilder bis er schließlich einen so furchteinflößenden Fluch ließ, wie ihn nur Tibeats ausstoßen konnte. Er nahm ein Beil von der Werkbank, schoss auf mich zu und schwor, dass er mir den Kopf aufschneiden würde.
     
    Es ging nun um Leben und Tod. Die scharfe, breite Klinge des Beils blinkte in der Sonne. Im nächsten Moment würde sie in mein Gehirn gegraben sein – und doch dachte ich in diesem Moment angestrengt nach; in einer Notlage wie dieser schießen die Gedanken nur so durch den Kopf: bleibe ich stehen ist mein Schicksal unvermeidlich; fliehe ich, wirft er die Axt und sie trifft mich mit tödlicher Sicherheit im Rücken. Es gab nur einen Ausweg. Ich sprang ihm mit aller Kraft entgegen und traf auf halbem Weg auf ihn. Bevor er seinen Schlag ausführen konnte, hatte ich ihn mit einer Faust an seinem erhobenen Arm, mit der anderen an der Kehle. So standen wir und schauten uns in die Augen. Ich sah Mordlust in seinen. Ich fühlte mich, als hätte ich eine Schlange am Hals, die sich bei der kleinsten Lockerung meines Griffs um meinen Körper winden und mich erdrücken und zu Tode stechen würde. Ich überlegte laut zu schreien im Vertrauen, dass mich jemand hören wird – aber Chapin war weg, die Sklaven auf dem Feld und keine Menschenseele in Hörweite.
     
    Der gute Geist, der mich in meinem bisherigen Leben vor Gewalt bewahrt hatte, sandte mir in diesem Moment eine glückliche Eingebung. Mit einem plötzlichen, energischen Tritt, der ihn keuchend auf die Knie zwang, lockerte ich meinen Griff an seiner Kehle, schnappte das Beil und warf es außer Reichweite.
     
    Rasend vor Wut und nicht mehr Herr seiner Sinne griff er einen gut über einen Meter langen und im Durchmesser gerade noch greifbaren Stock aus Eichenholz, der am Boden lag. Wieder schnellte er auf mich zu und ich hielt ihn auf, umklammerte seine Hüfte und brachte ihn zu Boden. Ich war der Stärkere von uns beiden. In dieser Position konnte ich den Stab ergreifen und diesen ebenfalls von uns wegwerfen.
     
    Auch er war aufgestanden und rannte zur Werkbank, um die breite Axt zu holen. Glücklicherweise lag auf der Klinge der Axt ein schwerer Holzbalken und er konnte sie nicht herausziehen, bevor ich auf seinem Rücken gelandet war. Ich drückte Tibeats mit aller Kraft auf den Balken und machte damit die Axt noch unerreichbarer. Es gelang mir aber nicht, seine Hände vom Griff der Axt zu lösen. In dieser Position verharrten wir einige Minuten.
     
    Es gab in meinem Leben viele Augenblicke, in denen die Erwartung des Todes als das Ende irdischer Leiden, oder das Grab als letzte Ruhestätte für den müden und ausgemergelten Körper, etwas durchaus Erfreuliches an sich hatten. Aber solche Gedanken entschwinden in der Stunde tödlicher Gefahr. Kein Mensch, sei er noch so stark, steht unverzagt dem "König der Schrecken" gegenüber. Das Leben ist jedem Geschöpf wertvoll; selbst der Wurm, der am Boden kriecht, kämpft darum. Und in diesem Moment war es auch wertvoll für mich, versklavt und misshandelt oder nicht.
     
    Da ich seine Hand nicht öffnen konnte griff ich ihn wieder an der Kehle; dieses Mal aber war meine Umklammerung wie ein Schraubstock und ließ seinen Griff bald erlahmen. Seine Körperspannung ließ schnell nach und er wurde zunehmend benommener. Sein Gesicht, das vorher weiß vor Wut gewesen war, war mittlerweile blau vor Atemnot. Die kleinen Schlangenaugen, die so viel Gift spucken konnten, waren nun angsterfüllt – zwei große, weiße Kugeln, die mich aus ihren Höhlen anstarrten!
     
    In meinem Herzen lauerte ein Teufel, der mir sagte, ich solle diesen menschlichen Bluthund auf der Stelle töten – den Griff an seiner verfluchten Kehle solange halten, bis der letzte Atemzug getan war! Ich wagte nicht, ihn zu töten und ich wagte nicht, ihn am Leben zu lassen. Wenn ich ihn tötete, würde mein eigenes Leben dafür die Buße sein – ließ

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