Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
gelangen. Aber das Wasser wurde immer tiefer und das Gehen immer beschwerlicher. Ich erkannte, dass es fast unmöglich war weiterzugehen und wusste auch nicht in welche Hände ich fallen würde, sollte ich eine menschliche Behausung finden. Da ich keinen Pass bei mir hatte war jeder weiße Mann dazu berechtigt mich festzunehmen und ins Gefängnis zu sperren bis mein legitimer Herr "den Besitz anzeigen, die Gebühren bezahlen und mich mitnehmen würde". Ich war ein Entflohener und bei meinem Glück würde ich ganz sicher einem der gesetzestreuen Bürger Louisianas in die Hände laufen, dessen einzige Pflicht war, seinem Nachbarn einen Gefallen zu tun und mir auf der Stelle eine Abreibung zu verpassen. Es war wirklich schwer festzustellen, was ich am meisten fürchten sollte – Hunde, Alligatoren oder Menschen!
Nach Mitternacht hielt ich an. Keine Vorstellungskraft der Welt reicht aus um sich diese düstere Szene darzustellen. Der Sumpf vibrierte vom Quaken unzähliger Enten! Ich glaube nicht, dass seit der Schöpfung irgendjemand seinen Fuß soweit in diesen Sumpf gesetzt hatte wie ich. Er war bei weitem nicht so still – still im Sinne von bedrückend – wie am Tag, wenn die Sonne vom Himmel brannte. Mein nächtliches Eindringen hatte das Federvieh aufgescheucht, das diesen Sumpf anscheinend zu Hunderttausenden bewohnte. Ihre geschwätzigen Kehlen produzierten eine Vielzahl absurder Klänge und das Schlagen ihrer Flügel als auch das Eintauchen ins Wasser rund um mich herum machten mir Angst. Alle Bewohner der Lüfte und alle kriechenden Kreaturen der Erde schienen sich an diesem Platz versammelt zu haben mit dem einzigen Ziel, diesen Sklaven mit ihrem Gezeter in Panik zu versetzen. Das Leben spielt sich nicht nur in überfüllten Städten ab und wird auch nicht nur von Menschen gemacht. Sogar inmitten dieses schrecklichen Sumpfes hatte Gott ein Refugium und eine Heimat für Millionen lebender Tiere errichtet.
Der Mond stand schon hoch über den Bäumen, als ich mich einer neuen Aufgabe zuwandte. Bisher hatte ich versucht, so weit wie möglich nach Süden zu kommen. Nun drehte ich mich in nordwestliche Richtung mit dem Ziel Pine Woods und die Nähe von Mr. Ford zu treffen. Einmal im Schatten seines Schutzes fühlte ich mich unvergleichlich sicher.
Meine Kleidung war zerfetzt und meine Hände und Füße mit Kratzern übersät, die ich mir durch die scharfen Äste gefallener Bäume oder das Klettern über das Unterholz oder Treibgut zugezogen hatte. Ich war mit Mist und Dreck verschmiert und der grüne Schleim, der das Wasser bedeckte, in dem ich manchmal bis zum Hals steckte, hing überall an mir. Stunde für Stunde folgte ich, ermüdet wie ich war, meiner nordwestlichen Route. Das Wasser wurde seichter und der Boden unter meinen Füßen fester. Schließlich erreichte ich Pacoudrie, den Altarm den ich schon in der umgekehrten Richtung durchquert hatte. Ich schwamm erneut hindurch und hörte kurz darauf das Krähen eines Hahns. Ich hörte das Geräusch nur schwach und genau so gut hätte es eine Täuschung meiner Ohren sein können. Das Wasser wich nun vor meinen Schritten zurück und nun - nun hatte ich das Moor hinter mir gelassen – nun – nun war ich auf trockenem Boden – nun war ich irgendwo in den Great Pine Woods.
Als der Tag anbrach kam ich zu einer kleinen Rodung, einer Art kleiner Plantage; aber eine, die ich noch nie vorher gesehen hatte. Am Waldrand traf ich auf zwei Männer, einen Sklaven und seinen jungen Herrn, die damit beschäftigt waren, Wildschweine zu jagen. Ich wusste, dass der weiße Mann meinen Pass verlangen und mich, da ich keinen besaß, anschließend in seinen Besitz überführen würde. Ich war zu erschöpft, um wieder zu rennen und zu verzweifelt, um gefangengenommen zu werden und entsann mich einer Kriegslist, die sich als erfolgreich erweisen sollte. Mit grimmigem Gesichtsausdruck ging ich direkt auf die beiden zu und schaute ihnen beständig ins Gesicht. Als ich näher kam wich der Weiße, offensichtlich beunruhigt, zurück. Die Angst war ihm deutlich anzusehen – er sah mich an wie einen Abgesandten des Teufels, der gerade den Eingeweiden des Sumpfs entstiegen war!
"Wo lebt William Ford?", fragte ich in barschem Ton.
"Sieben Meilen von hier", war die Antwort.
"Wie komme ich dorthin?", fragte ich und versucht noch wilder zu schauen als zuvor.
"Siehst du diese Kiefern dort drüben?", fragte er und zeigte auf zwei Bäume, die in etwa einer
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